Stadtfeind Nr.1
Zwillingen vor entzücktem Entsetzen über seine Sprache der Mund offen steht.
»Pass auf, was du sagst, Jared«, sagt Brad matt.
»Entschuldige. In diesem Dreckloch.«
Die Zwillinge sind wie das Hintergrundgelächter einer Sitcom.
»Ich habe früher genauso gedacht wie du, Jared. Aber du würdest gar nicht glauben, wie sehr du einen Ort vermissen kannst, von dem du glaubst, dass du ihn hasst.« Das bin ich, einen harmlosen Ton offener Versöhnung anschlagend, bei einem vergeblichen Versuch, die Spannung am Tisch abzubauen und vielleicht zu beginnen, die Dinge zwischen meinen einzigen lebenden Verwandten und mir zu glätten.
»Naja, du hast leicht reden«, sagt Jared. »Ich hingegen habe meine Rache noch nicht zu Papier gebracht.«
»Mein Buch war keine Rache.« »Was denn dann?« »Das ist kompliziert.«
»Das sagst du immer. Das ist nicht so einfach. Das ist kompliziert. Blödsinn. Du hast dich an all den Leuten gerächt, auf die du sauer warst. Dagegen ist ja nichts zu sagen, aber nennen wir es doch beim Namen. Rache.«
»Das reicht jetzt, Jared«, sagt Brad, wenn auch mit wenig Überzeugung.
»Oh, ich bitte dich, Dad«, sagt Jared, dessen Gesicht allmählich rot anläuft. »Du bist doch ausgerastet, als das Buch erschienen ist. Du und Mom, ihr konntet doch gar nicht mehr aufhören, davon zu reden.«
»Jetzt kommen wir der Sache allmählich näher«, sage ich und wende mich an Brad, als hätte ich beabsichtigt, dass das Gespräch diese Wendung nimmt. »Ich bin sicher, du warst sauer, als das Buch erschienen ist. Warum hast du denn dann nie etwas zu mir gesagt?«
Brad legt langsam seine Gabel ab, kaut das Huhn in seinem Mund mit langsamen, bewussten Bewegungen, schluckt es hinunter und tupft sich dann mit der Serviette die Mundwinkel ab, um mir zu zeigen, dass er sich nicht hetzen lassen wird. »Warum habe ich nichts gesagt?«, wiederholt er, wobei er resigniert nickt, als hätte er diese Diskussion insgesamt gern vermieden, sei aber nun dazu genötigt worden. »Erstens: Weil du und ich überhaupt sehr selten miteinander sprechen. Zweitens: Weil ich dir vermutlich nicht die Befriedigung geben wollte. Aber vor allem - und ich weiß, dass du das vielleicht nur schwer begreifen können wirst - weil ich ein Erwachsener bin, Joe, und weil ich weitaus größere Probleme zu bewältigen habe als irgendein dämliches, gemeines Buch.«
»Das hast du allerdings«, sagt Cindy mit einem gehässigen Grinsen, bevor sie ihr - nach meiner Schätzung -viertes Glas Wein hinunterspült.
Brad wendet sich an seine Frau, mit einer Miene, in der eine erschöpfte Mischung aus Mitleid und Abscheu liegt. »Meinst du nicht, du hattest genug?«
»Nicht annähernd.«
»Warum bist du sauer auf mich?«, frage ich Jared im Flüsterton, während Brad und Cindy sich anknurren wie zwei wütende Tiere.
»Ich bin nicht sauer.«
»Dann hast du mich aber ausgetrickst.«
»Ich versuche nur, ihnen eine Reaktion zu entlocken.«
»Eine Reaktion worauf?«
Jared seufzt und sieht mich an. »Auf dich.«
Bevor ich ihn fragen kann, was er meint, kommt Shnookums ins Esszimmer geflogen und landet in einem tollkühnen Sturzflug auf dem Marinarahuhn, sodass die rote Sauce auf das Tischtuch spritzt, während sie mit schlagenden Flügeln panisch versucht, ihre Flugbahn zu korrigieren.
»Brad!«, kreischt Cindy, und wir alle springen überrascht auf.
»Scheiße!«, brüllt Brad.
Der Vogel wirbelt auf der Servierplatte im Kreis, als würde er auf einem Drehteller sitzen, außer Stande, wieder abzuheben, da die Sauce seine Federn völlig durchtränkt hat. Cindy schlägt nach dem Vogel, verfehlt ihn völlig und stößt stattdessen ihr Weinglas um, das seinen Inhalt über den Tisch ergießt, und dann noch die Weinflasche, die mit einem dumpfen Knall auf den Holzboden fällt. »Gottverdammt nochmal!«, kreischt Cindy.
Wir alle sehen gebannt zu, wie sich Shnookums schließlich aus der Hühnchenplatte befreit und ein paar ruckartige Schritte über den Tisch macht, wobei sie eine Spur perfekter roter Abdrücke auf der Tischdecke hinterlässt, bevor sie genau vor mir Halt macht. »Hey, Blödmann«, sagt sie, und damit ist das Dinner mit der Familie im Wesentlichen gelaufen.
Nachdem ich Brad und Cindy geholfen habe, das Chaos in ihrem Esszimmer zu beseitigen, verabschiede ich mich von allen, wobei ich einen viel sagenden Blick von Cindy an Brad auffange. »Ich bringe dich zur Tür«, sagt Brad zu mir. Ich muss an Jareds Bemerkung denken, seinen Eltern
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