Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
Vom Netzwerk:
definiert ist, das ist deine Gelegenheit. Mädchen teilen die Typen in gute Freunde und potenzielle feste Freunde ein. Du musst dich von Anfang an in die richtige Kategorie einordnen. Wenn du es auf deine Tour machst, dann endet ihr als gute Freunde, und nichts ist schwerer, als die Kategorie zu wechseln, wenn das erst einmal feststeht. Dann erzählt sie dir irgendwann von all den anderen Typen, auf die sie steht, und in dem Fall ist es besser für dich, wenn du dir von Anfang an eine Abfuhr holst.«
    »Danke«, sagte ich. »Aber meine Art erscheint mir vernünftiger.«
    »Und du hast ja auch genug Erfolge vorzuweisen, die sie bestätigen«, sagte er lächelnd, während er die Asche über den Rand des Gebäudes schnippte.
    »Leck mich.«
    »Tut mir leid, ich habe schon andere Pläne.«
    Wir rauchten eine Weile schweigend, während wir zusahen, wie die vereinzelten Lichter in den umliegenden Häusern nach und nach ausgingen. Die Mondsichel suchte hinter einem Ballen grauer Wolken Zuflucht, und ich schauderte, als auf einmal ein kalter Hauch die Nacht erfasste. So fühlt es sich an, wenn sich die Zeit beschleunigt, dachte ich.
    Wayne wandte sich mit ernster Miene zu mir um und drückte seine Zigarette aus.
    »Wir sollten uns Tattoos machen lassen«, sagte er.

11
    In der neunten Klasse war ich ein begeisterter Fan von Postern mit populären Rockstars, und das war offensichtlich die Zeit, als ich das letzte Mal mein Zimmer umgestaltete. Über der Kiefernkommode in der Ecke hängt ein Poster mit einer vergrößerten Darstellung des gemalten Mädchens vom Cover des Duran Duran Rio-Al-bums. Neben dem Fenster, durch das man auf die Haustür sieht, hängt ein Poster von The Cure. An der gegenüberliegenden Wand, über meinem Bett, war genug Platz für Elvis Costello, der fragend über seine Buddy-Holly-Brille äugte, und Howard Jones, der unter seinem Haarspray entspannt lächelte, fotografiert irgendwann in den fünf Minuten, bevor der Synthesizerpop unter Gelächter von der Musikszene verbannt wurde. Ich glaube, mein Musikgeschmack damals war etwas schräg, aber ich nehme an, dass das nur noch eine weitere Anpassung ist, die ich bei meinen bruchstückhaften Erinnerungen vornehmen muss. Der junge, bärtige Springsteen, der an meiner Badezimmertür über seiner Gitarre schwitzt, muntert mich für eine Sekunde auf, auch wenn ich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen könnte, aus welchen Gründen ich ihn aufgehängt habe.
    An der Tür zu meinem Zimmer hängt, mit Reißnägeln befestigt, ein Star-Wars-Poster; die weiße Umrandung ist an unzähligen Stellen abgegriffen und eingerissen von zufälligen menschlichen Berührungen. Es ist genau wie in dem Song von Everclear, und ich summe die Worte leise vor mich hin: » I want the things that I had before I like a Star Wars poster on my bedroom door .« Man muss die Originalität des eigenen Lebens infrage stellen, wenn es sich mit den Zeilen eines Rocksongs perfekt umschreiben lässt
    Auf der Kommode steht meine alte Stereoanlage. Ich drücke auf die große silberne Powertaste, und der Kasten springt mit einem verstärkten Knistern an. Ehrfurchtsvoll sehe ich zu, wie sich der Arm des Plattenspielers automatisch hebt und über den Plattenteller schwebt, auf dem sich eine alte 45er dreht. Es gibt keinen Grund, weshalb er nicht funktionieren sollte, und doch bin ich erstaunt. Ich kann mich nur zu genau daran erinnern, wie ich mit der Kommode zu kämpfen hatte, bis sie so weit vorgeschoben war, dass ich die Steckdose an der Wand dahinter erreichen konnte. Es erscheint mir unvorstellbar, dass ich damals als Kind etwas getan habe, was bis heute intakt geblieben ist, als hätte es die ganze Zeit auf meine Rückkehr gewartet. Auf einmal besteht eine Verbindung zwischen uns, zwischen dem Jungen von damals und mir, wie durch eine Art Schleife im Zeitkontinuum, und ich sehe ihn mit aller Deutlichkeit, kann spüren, wie seine Ängste und Gedanken auf einmal durch mein Gehirn strömen, wie seine jüngeren Körpersäfte durch meine Adern fließen, und für einen winzigen Augenblick - durch eine Art molekularer Erinnerung - bin ich wieder er. Die Muskeln meiner Oberschenkel versagen, und ich setze mich rasch aufs Bett. Mein Bett. Durch die Lautsprecher kommt jetzt eine kratzende Wiedergabe von Peter Gabriels »In Your Eyes«, und ich muss lächeln.
    Ich benutze die Toilette im Flur, und meine Hand erinnert sich, dass der Spülknopf hochgerissen werden muss, bevor er nach unten gedrückt wird.

Weitere Kostenlose Bücher