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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Wort mit ihm gewechselt.«
    »Sie sind jeden Tag mit ihm zusammen.«
    »Wir halten uns im gleichen Gebäude auf. Das ist aber auch schon alles.«
    »Haben Sie in Mendocino miteinander geschlafen?«
    »Ich … Ja.«
    DeDe stand auf. »Es tut mir leid, daß ich Sie belästigt habe. Ich glaube, wir haben jetzt beide genug von dieser Seifenoper.« Sie drehte sich um und ging zur Tür.
    »DeDe?«
    »Ja?«
    »Hat Beauchamp gesagt, daß ich mit ihm zusammen war am letzten Wochenende und … an diesem anderen Tag?«
    »Nicht direkt.«
    »Er hat es aber durchblicken lassen?«
    »Ja.«
    »Ich war bestimmt nicht mit ihm zusammen, DeDe. Bitte glauben Sie mir.«
    DeDe lächelte bitter. »Das tue ich ja. Ist das nicht das Schreckliche daran?«
     
    Zu Hause in der Montgomery Street schlitzte DeDe mit Inbrunst die Post auf, um die sie sich den ganzen Tag nicht gekümmert hatte.
    Es waren neue Rechnungen von Wilkes und Abercrombie’s gekommen, das neueste Heft des Architectural Digest, eine Spendenaufforderung der Bennington Alumni Association und ein Brief von Binky Gruen.
    Den Brief von Binky nahm DeDe mit in die Küche, wo sie sich eine Schüssel Familia-Cornflakes mit Milch machte. Sie öffnete den Umschlag mit einem Brotmesser. Der Brief war auf Golden-Door-Briefpapier geschrieben.
     
    Meine Liebe DeDe,
    Deine alte Binky suhlt sich hier auf Amerikas elegantester Abspeckfarm in Luxus und Selbstmitleid. Wir stehen zu einer unaussprechlichen Zeit auf und joggen dann in total unschmeichelhaften Jumpsuits aus rosa Frottee, die hier »Pinkies« heißen, durch die Wildnis. (Bitte keine Witze über Binky in ihrem Pinky, mein Schatz.) Ich habe schon sechs Pfund abgenommen. Tusch! Filmstars, wo man auch hinsieht. Ich komme mir déclassée vor, wenn ich nicht auch in der Sauna meine Foster Grants aufsetze. Versuch’s mal. Du wirst es hassen.
    Fühle Dich geherzt und geküßt von Deiner
    Binky
     
    Beauchamp kam in die Küche. »Wo warst du heute abend?«
    »Bei der Junior League.«
    Er schaute auf die leere Schüssel. »Hat man dir dort nichts zu essen gegeben?«
    »Die Schüssel war nur halb voll, Beauchamp!«
    »Bedien dich nur. Es ist sowieso zu spät, um bis zur Eröffnung der Opernsaison wieder eine halbwegs akzeptable Figur hinzukriegen.« Er lächelte aufreizend und ging hinaus.
    DeDe sah ihm mit finsterem Blick nach, bis er außer Sicht war. Dann griff sie nach Binkys Brief und las ihn noch einmal.
Was das einfache Volk so treibt
    Die Bestie vor ihrer Tür trieb Mary Ann kalte Schauer über den Rücken.
    Das Gesicht des Untiers war kreidebleich, nur auf den Wangenknochen saßen gespenstisch wirkende Rougeflecken. Seine Brust war glatt, seine Beine dicht behaart, und aus seiner Stirn reckten sich drohend zwei knorrige Ziegenhörner nach oben.
    Die Bestie sagte etwas zu ihr.
    »Weißt du auch mit zwei Hörnern was anzufangen, hm?«
    »Michael!«
    »Falsch, du Langweilerin. Ich bin der große Gott Pan.«
    »Du hast mich zu Tode erschreckt!«
    »Dabei bin ich doch eine sanfte und verspielte Kreatur … der Beschützer der Wälder und der Schafhirten … Ach was! Gibt es denn überhaupt jemand, der seine Rolle bei dir durchhalten kann?«
    Mary Ann lächelte. »Gehst du zu einer Kostümparty?«
    »Nein. Eigentlich wollte ich meine Tante Agnes von der Greyhoundstation abholen.«
    »Du willst so zum Busbahn …? Warum rede ich überhaupt mit dir?«
    »Willst du mich nicht reinbitten?«
    Sie kicherte. »Meiner Mutter würdest du so bestimmt gefallen.«
    »Es wird dich vielleicht ganz fürchterlich schocken, aber ich bin nicht besonders scharf darauf, deiner Mutter zu gefallen. Also, was ist jetzt? Wenn du mich noch länger auf dem Flur stehenläßt, kriegt der Mann auf dem Dach bestimmt einen Herzinfarkt.«
    »Komm schon rein. Was für ein Mann auf dem Dach?«
    Michael polterte ins Zimmer, setzte sich und rückte die braune Afroperücke zurecht, die seine Hörner hielt. »Der neue Mieter. Ein gewisser Williams. Ich hab ihn vor einiger Zeit auf der Treppe zum Dach gesehen. Und schon allein das war für ihn fast zuviel.«
    »Oben auf dem Dach gibt es eine Wohnung?«
    »So was ähnliches. Ich würde eher Dachbaracke dazu sagen. Es will sie nur selten jemand mieten, aber man hat von da oben eine umwerfende Aussicht. Der Kerl ist vor ein paar Tagen eingezogen. Sag, kann ich was zu trinken haben?«
    »Klar … Ich hab noch etwas …«
    »Sag Crème de menthe, und ich verschlinge dich!«
    Sie ruckelte an einem seiner Hörner.
    »Weißwein,

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