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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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schon«, sagte sie lächelnd. »Dann krieg ich gleich noch ein bißchen Übung dafür.« Sie tätschelte das Telefon.
    Vincent schaute sie an. »Du bist wirklich … eine supertolle Person.«
    »Ach, komm.«
    »Nein, wirklich. Bei unserer ersten Begegnung hab ich gedacht, du bist auch so ’ne Trulla aus gutem Hause, wie wir sie hier schon ein paarmal gehabt haben. Ich war total sicher, daß du ein bißchen … Unterschichttourismus machst und hier deine guten Taten für die Junior League ableistest oder so … Aber du bist ganz anders. Du bist wirklich schwer in Ordnung.«
    Mary Ann wurde rot. »Danke, Vincent!«
    Vincent kratzte an seinem Stummel und lächelte Mary Ann warmherzig an.
     
    Wie sich herausstellte, war Vincents Alte das Problem.
    Als er seine Alte kennengelernt hatte, war er gerade Anstreicher gewesen und sie Kellnerin in einer Bio-Pizzeria, die The Karmic Anchovy hieß. Sie hatten gemeinsam für den Frieden gekämpft und ihre Liebe in den Feuern eines fanatischen Eifers geschmiedet. Sie hatten ihr erstes Kind Ho genannt und sich einer Kommune in Olema angeschlossen.
    Eine Verbindung, die im Nirwana gestiftet worden war.
    »Und was ist dann passiert?« fragte Mary Ann sanft.
    Vincent schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich der Krieg.«
    »Der Krieg?«
    »Vietnam. Sie ist nicht mehr zurechtgekommen, als er vorbei war. Sie ist regelrecht auseinandergefallen.«
    Mary Ann nickte verständnisvoll.
    »Der Krieg hat ihr ganzes Leben bestimmt, Mary Ann, und nachher konnte sie sich nirgends mehr verwirklichen. Sie hat’s eine Zeitlang mit den Indianern probiert, dann mit der Ölverschmutzung der Gewässer und mit der Pacific Gas & Electricity, aber das war nichts im Vergleich mit früher. Einfach nichts.«
    Er schaute auf die Fummelkette, die um seine Finger geschlungen war. Mary Ann hoffte, daß er nicht zu heulen anfangen würde.
    »Wir haben alles ausprobiert«, fuhr Vincent fort. »Ich hab sogar unsere Essenmarken vom Sozialamt verkauft, damit sie in ein Awareness-Center am Russian River fahren konnte.«
    »Wohin?«
    »Du weißt schon. Wo man zu sich selbst findet. Feministische Therapie, Bioenergetik, Kräuterlehre, transzendentales Volleyball … Es hat nicht geholfen. Nichts hat geholfen.«
    »Das tut mir wirklich leid, Vincent.«
    »Ist das vielleicht fair?« sagte Vincent und zwinkerte seine Tränen weg. »Für Pazifisten müßte es auch so was geben wie die American Legion.«
     
    Mary Ann war jetzt sicher, daß sie gleich weinen würde.
    »Vincent … das renkt sich alles wieder ein.«
    Vincent schüttelte nur traurig den Kopf.
    »Garantiert, Vincent. Du liebst sie, und sie liebt dich. Und darauf kommt es doch an.«
    »Sie hat mich verlassen.«
    »Oh … Na ja, dann mußt du eben zu ihr. Sag ihr, wieviel sie dir bedeutet. Sag ihr, wie sehr …«
    »Ich kann mir keine Reise nach Israel leisten.«
    »Sie ist in Israel?«
    Vincent nickte. »Sie ist in die israelische Armee eingetreten.« Plötzlich stieß er seinen Stuhl zurück, lief aus dem Zimmer und schloß sich im Bad ein.
    Mary Ann horchte an der Tür. Sie war bleich vor Angst.
    »Vincent?«
    Schweigen.
    »Vincent! Das wird schon wieder. Hörst du mich, Vincent?«
    Sie hörte ihn im Badezimmerschränkchen wühlen. »Um Gottes willen, Vincent! Schneid dir nichts ab!« Dann klingelte ihr Telefon.
Einen Tango zum Jubiläum
    »Und wo ist unser Streuner heute abend?« fragte Mrs. Madrigal, während sie Mona ein Glas Sherry einschenkte.
    »Michael?«
    »Kennst du noch andere Streuner?«
    »Schön wär’s.«
    »Mona! Habt ihr beide euch gezankt oder was?«
    »Nein. So hab ich das nicht gemeint.« Sie strich über den abgewetzten roten Samt der Armlehne. »Michael ist zu einem Kostümfest gegangen.«
    Die Vermieterin zog ihren Sessel näher an den von Mona heran. Sie lächelte. »Ich glaube, Brian ist heute abend da.«
    »O Gott! Sie hören sich ja an wie meine Mutter!«
    »Drück dich nicht um das Thema herum. Magst du Brian nicht?«
    »Er ist ein Weiberheld.«
    »Und das heißt?«
    »Das heißt, daß ich auf so was im Moment mit Handkuß verzichte.«
    »Na, das klingt vielleicht überzeugend.«
    Mona trank ihren Sherry und wich Mrs. Madrigals Blick aus. »Ist das Ihre Antwort auf alles?«
    Die Vermieterin lachte glucksend. »Es ist nicht meine Antwort auf alles. Es ist die Antwort auf alles … Komm jetzt, du Unglückskind, hol deinen Mantel. Ich habe zwei Karten für Beach Blanket Babylon. «
     
    Bei einem wärmenden Krug Sangria

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