Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Euer Heiligkeit.«
»Gerne … Nein, ich will doch nichts. Ich muß nämlich gleich gehen. Ich hatte gehofft, du kommst mit.«
»Als was? Als Geiß?«
»Als Schäferin. Ich habe ein reizendes Schäferinnenkleid mit Rüschenmieder und … Sieh mich nicht so an, du Frau! Es gehört Mona!«
Mary Ann lachte. »Ich würde liebend gern mitkommen, Michael … bloß habe ich heute Dienst beim Crisis Switchboard.«
»Aber ich stecke doch in der Krise! Einsamer Homophiler mit behaarten Beinen und extravaganter Erscheinung sucht attraktive, aber langweilige Dame für vergnüglichen Abend bei …«
»Wie wär’s mit dem Kerl, mit dem ich dich gesehen habe?«
»Jon?«
»So ein Blonder?«
Michael nickte. »Heute wird doch die Opernsaison eröffnet.«
»Oh … Und du kannst Opern nicht ausstehen, hmh?«
»Nein … das heißt, eigentlich schon … aber darum geht es nicht. Jon hat sich zusammen mit einem Freund ein Abonnement zugelegt. Aber du hast recht … ich kann mit Opern eigentlich nicht viel anfangen. Ich glaube nicht, daß ich mich dort … ach, du weißt schon.«
Sie küßte ihn vorsichtig auf seine berougte Wange. »Was hältst du davon, wenn ich dir einmal Ausgehen gutschreibe?«
Er stand auf, seufzte und rückte seine Hörner zurecht. »Das sagen sie alle. «
»Wo ist die Party?«
»Ganz in der Nähe. Im Hyde and Green Plant Store. Ich geh zu Fuß hin.«
»In dem Aufzug?«
»Sei nicht so … Cleveland-like. Der halbe Russian Hill läuft doch so rum.«
»Sei jedenfalls vorsichtig.«
»Weswegen?«
»Weiß ich auch nicht … Wegen der Leute, die auch so aussehen.«
»Viel Vergnügen mit den Selbstmördern.«
»Danke.« Sie schubste ihn spielerisch zur Tür hinaus. »Such dir einen netten Ziegenbock.«
Intermezzo
Zur gleichen Zeit gingen in den Nebengelassen der Oper die eleganten Herren ein und aus und putzten sich umgeben vom roten Leder, dem dunklen Holz und den glänzenden Armaturen des Herrenwaschraums im Logenbereich das Gefieder. Für die nächsten zwei Stunden würde dies die eleganteste Toilette der Stadt sein.
»Paß auf die Tür auf«, befahl Peter Cipriani.
»Wieso?« sagte Beauchamp.
»Na, das fehlte gerade noch, daß einer dieser kleinkarierten alten Saftsäcke besoffen hier reinplatzt!«
Peter zog einen Briefumschlag von Gump’s mit dem aufgeprägten Familienwappen der Ciprianis aus der Tasche. Er fuhr mit einem kleinen Goldlöffel hinein und hob den Löffel dann an sein linkes Nasenloch.
»Ah! Unverschnitten! So mag ich mein Koks und meine Männer!«
Beauchamp war nervös. »Mach schon! Beeil dich!«
»Ladies first!«
Der Löffel wanderte zum zweitenmal hinunter und wieder hinauf, nur belieferte er diesmal Peters anderes Nasenloch. Beauchamp folgte Peters Beispiel und suchte danach seine Frackschöße vor dem Spiegel nach Fusseln ab.
»Das ist vielleicht wieder eine traurige Veranstaltung hier!«
Peter grinste ihn an. »Gehst du hinterher mit den Halcyons ins L’Orangerie?«
»Da mußt du DeDe fragen. Heute abend entscheiden sie und ihre Mutter, was gemacht wird.«
Peter zog eine Tube Bill-Blass-Bräunungscreme aus der Brusttasche und machte sich daran, seine Wangenknochen aufzufrischen. »Warum seilst du dich nicht in der Pause ab und gehst mit mir in den Club?«
»Gibt’s denn heute im Club was Besonderes?«
Peter stöhnte. »Du armes unbedarftes Fräulein aus reichem Hause! Ich meine doch nicht unseren Club. Ich rede von dem an der Ecke Eighth und Howard.«
»Ich schätze, dort bist du heute abend auf dich allein gestellt, Peter.«
»Chacun à son goût. Mir hängen diese Pseudopatrizier jedenfalls zum Hals raus. Ich hab mal wieder Lust auf ein paar Pseudoholzfäller.«
Ryan Hammond rauschte in den Waschraum. Ryan war Engländer, oder redete jedenfalls wie einer. In den Klatschspalten tauchte er häufig als Begleiter von verwitweten Damen auf und als Star musikalischer Komödien, die auf der Halbinsel liefen.
»Sieh mal einer an«, säuselte Peter, »sogar die englischen Schnepfen sind heute aus dem Unterholz gekrochen.«
Beauchamp sah seinen Freund strafend an.
Ryan ignorierte Peter und ging zu den Pissoirs.
»Die Puppe, die Sie heute im Schlepptau haben, ist echt scharf, Ryan. Wie alt ist sie? Hundertundacht?«
»Peter!« fuhr Beauchamp ihn an.
Während Ryan sein Geschäft verrichtete, fixierte er Peter mit seinem bösesten Blick à la George Sanders. »Guten Abend, Mr. Cipriani. Ich wußte gar nicht, daß Massenet nach Ihrem Geschmack
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