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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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ist.«
    »Normalerweise ja nicht … aber die Operneröffnung ist nun mal ein solches Schauspiel. Außerdem ist es der einzige Abend im Jahr, wo Sie weniger Schmuck tragen als Ihre Freundinnen.«
     
    Der Waschraum hatte sich bereits wieder geleert, als ihn Edgar zusammen mit Booter Manigault betrat.
    Booter hatte sich mit seinen Ordensbändern aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Ohrhörer eines Transistorradios geschmückt. Er hörte sich das Spiel der Giants gegen Cincinnati an.
    Die beiden Männer stellten sich vor die Wand. »Es ist schon fast wieder Entenzeit«, stellte Edgar ausdruckslos fest.
    »Was? … Entschuldige, Edgar.« Booter zog den Ohrhörer heraus.
    »Ich habe gesagt, es ist schon fast wieder Entenzeit. Es kommt mir so vor, als hätten wir gestern erst das Grove Play gehabt, und jetzt ist schon fast wieder Entenzeit.«
    »Ja, ja … das alte tempus fugit wirklich, was?« Booter kicherte in sich hinein. »Wer sagt da, es gibt bei uns in Kalifornien keine Jahreszeiten? Gerade jetzt verlassen die Nutten ihre Nester in Rio Nido und ziehen nach Marysville. Ich würde sagen, das ist ein sicheres Anzeichen für den Herbst, meinst du nicht auch?«
    Schweigen.
    »Edgar … fühlst du dich nicht wohl?«
    »Nein, nein … Es geht mir gut.«
    »Du siehst ziemlich blaß aus.«
    »Das macht die Oper.« Edgar rang sich ein Lächeln ab.
    Booter steckte sich den Ohrhörer wieder rein. »Wie recht du doch hast!«
Vincents Alte
    Michael schraubte die Kappe von einer Tube Dance-Arts-Clownweiß und besserte in der Diele der Barbary Lane 28 sein Pangesicht aus. Er liebte diese alte Diele mit ihren angelaufenen Art-déco-Damen, ihren vergoldeten Spiegeln und ihrer Decke aus geprägten Metallplatten voller Dreißiger-Jahre-Hieroglyphen.
    Irgendwie versetzte ihn dieses Foyer immer in eine heitere, gelöste Stimmung. Er kam sich dann vor wie Fred Astaire in Ich tanze mich in dein Herz hinein oder wie Noel Coward auf dem Weg zu seiner Verabredung mit Gertie Lawrence im Savoy Grill.
    Dem Himmel sei Dank für Mrs. Madrigal, dachte er, eine Vermieterin von beinahe kosmischem Feingefühl, die nie den Drang verspürt hatte, das Gebäude mit Plastikpalmen oder selbstklebenden florentinischen Spiegelfliesen aus dem Goodman-Lumber-Baumarkt zu verschandeln.
    Michael unterzog sich einer letzten unbarmherzigen Inspektion und lächelte anerkennend. Er sah verdammt gut aus.
    Seine Hörner wirkten unerhört realistisch. Seine Kunstpelzhinterbacken schwangen von der Hüfte weg und verliehen ihm eine ulkige Erotik. Sein Bauch war flach, und seine Brust … nun, seine Brust war die eines Mannes, der beim Bankdrücken im Fitneßcenter des YMCA kaum je mogelte.
    Du siehst heiß aus, sagte er sich. Merk dir das!
    Merk dir das und laß den Kopf nicht hängen, wenn dich deine Eltern später aus Orlando anrufen und wissen wollen, ob du schon ein paar »nette Mädchen« kennengelernt hast … wenn sich herausstellt, daß der geile Typ aus dem Midnight Sun einen festen Freund hat, der in Berkeley in der Kunstspringermannschaft ist … wenn in der Sauna jemand sagt: »Ich möchte gerade etwas Ruhe haben.« … wenn der schöne und zurückhaltende Dr. Jon Fielding seine byroneske Augenbraue hebt und es höflich ablehnt, sich aus seinem Elfenbeinturm der Wohlanständigkeit in die Niederungen eines anderen Schwulendaseins zu begeben.
    Na, dann verzehr dich mal vor Gram, Dr. Beautiful! Heute treibt Pan sein Unwesen!
     
    Als Mary Ann ins Bay Area Crisis Switchboard kam, war Vincent allem Anschein nach wieder einmal auf einem Depri-Trip.
    Sie sah nach, ob an seinen Extremitäten neue Anzeichen eines Gemetzels zu entdecken waren.
    Er trug noch immer einen Verband um den Stumpf seines kleinen Fingers, doch sonst fehlte – außer seinem linken Ohr – nichts. Mary Ann stieß einen unhörbaren Seufzer der Erleichterung aus und setzte sich vor ihr Telefon. »Dir geht’s heute gar nicht gut, hm?«
    Vincent lächelte wehmütig und hielt eine griechische Fummelkette hoch. »An der halte ich mich schon seit dem Frühstück fest.«
    »Was ist los?«
    »Ich glaube, das ist nichts für …« Er drehte sich von ihr weg und spielte mit seiner guten Hand nervös an einem Rolodex-Adressenkarussell herum. »Ich mag andere Leute nicht mit meinen grauenhaften Durchhängern konfrontieren.« Seine traurigen Augen und die schütteren roten Barthaare ließen Mary Ann an eines der bedauernswerten Tiere aus dem Zoo denken, die kurz vor dem Aussterben standen.
    »Erzähl

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