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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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selbst anbringen zu können: »Niemand ist von hier.«
    »Für mich hört sie sich an, als würde sie aus dem Mittelwesten stammen.«
    »Kann gut sein … Ich glaube, sie und Mona reden ziemlich ähnlich.«
    »Mona?«
    »Der Rotschopf aus dem zweiten Stock.«
    »Ach so.«
    Er wirkte ein wenig verloren. Der arme Kerl. Sie hoffte, daß er eines Tages lernen würde, sich als Teil der Familie zu begreifen.
Der Hinweis aus der Buchhandlung
    Norman verließ Mary Anns Wohnung kurz vor Mittag.
    Die nächsten drei Stunden brachte er damit zu, in Buchläden herumzustöbern, hatte aber keinen Erfolg. Schließlich stieß er an der Upper Grant auf einen kleinen, verstaubten Laden, der sich zwischen ein Ledergeschäft und einen alternativen Eissalon zwängte.
    Er schnüffelte einige Zeit herum, bevor er sich an den alten Mann wandte, der weiter hinten arbeitete.
    »Haben Sie irgendwas über Sky-diving?«
    »Worüber?«
    »Über Sky-diving. Fallschirmspringen.«
    »Ist das ein Sport?«
    »Ja. Das ist ein Sport.«
    Der alte Mann lüpfte seine Strickjacke, um sich an der Seite zu kratzen, dann zeigte er auf ein Regal in Kopfhöhe. »Das ist alles, was wir über Sport haben.« Er wirkte leicht angewidert, als hätte Norman ihn nach der Pornoabteilung gefragt.
    »Na ja, nicht so wichtig. Ich wollte mir bloß den alten Laden wieder einmal ansehen. Früher bin ich hier oft reingekommen. Sie haben ihn schön hergerichtet, den Laden.«
    »Finden Sie?«
    »Ja. Sehr geschmackvoll. Solche Läden findet man heutzutage kaum noch. Es ist schön, wenn man Leute trifft, die das Alte noch schätzen.«
    Der alte Mann kicherte. »In meinem Alter … sollte ich’s auch schätzen können.«
    »Ja … Aber im Herzen sind Sie doch jung geblieben, nicht? Und darauf kommt’s schließlich an. Jedenfalls sind Sie viel aufgeschlossener als die Frau, die den Laden früher hatte.«
    Der alte Mann fixierte ihn. »Sie kannten sie?«
    »Nicht besonders gut. Sie ist mir nur als richtig unangenehme Person aufgefallen.«
    »Das hat noch niemand über sie gesagt. Ein bißchen seltsam war sie vielleicht.«
    »Ein bißchen arg seltsam! Haben Sie den Laden von ihr gekauft?«
    Der Alte nickte. »So vor zehn Jahren. Und seither bin ich ohne Unterbrechung hier.«
    »Ach, so was ist doch schön. So ein Laden braucht eine gewisse … Kontinuität. Mrs. Wiehießsienoch ist wohl wieder zurück an die Ostküste … Oder woher kam sie gleich noch?«
    »Aber nein. Sie lebt immer noch hier. Ich sehe sie ab und zu.«
    »Das überrascht mich aber. Meinem Eindruck nach hat sie sich hier nicht wohl gefühlt. Sie hat immer was gesagt von … ach, von irgendwo im Osten. Wissen Sie noch, wo sie herstammt?«
    »Osten kann man wohl sagen. Sie war aus Norwegen.«
    »Aus Norwegen?«
    »Vielleicht war’s auch Dänemark. Ja, genau … Dänemark.«
    »Dann muß ich sie mit jemand verwechseln.«
    »Hieß sie Madrigal?«
    »Ja, genau. So hieß sie.«
    »Sie kam damals aus Dänemark, da bin ich mir ganz sicher. Sie ist hier geboren … in den Staaten, meine ich … aber sie hat in Dänemark gelebt, bevor sie den Laden gekauft hat. Von dort hat sie wahrscheinlich auch ihre merkwürdigen Angewohnheiten mitgebracht.«
    »Tja, davon hatte sie wirklich ein paar.«
    Der Alte lächelte. »Sehen Sie die Registrierkasse da?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, als ich den Laden übernommen habe … an meinem ersten Tag hier … da habe ich auf der Kasse einen Zettel gefunden, den sie drangeklebt hatte und auf dem ›Viel Glück und Gottes Segen‹ stand … Und was glauben Sie, was noch dranklebte?«
    Norman zuckte mit den Schultern.
    »Eine Zigarette. Eine selbstgedrehte Zigarette. Mit einem Stück Klebeband drangepappt.«
    »Seltsam.«
    »Mehr als seltsam«, antwortete der alte Mann.
     
    Gerade als Mona und D’orothea ins Malvina’s gehen wollten, kam Norman die Union Street in Richtung Washington Square herunter.
    Mona nickte ihm zu, doch er reagierte nicht.
    »Er wohnt in unserem Haus«, klärte sie D’orothea auf. »Aber er ist so ängstlich, daß er sich vermutlich sogar vor seinem eigenen Schatten fürchtet.«
    »So sieht er auch aus.«
    »Trotzdem beobachtet er mich. Er redet nicht viel, aber er beobachtet mich.«
     
    Im oberen Raum von Malvina’s tranken sie Cappuccino und puzzelten die fehlenden Jahre zusammen.
    »Ich hab ganz den Faden verloren«, sagte Mona. »Was ist mit Curt geworden?«
    »Allerhand … So ein Jahr ungefähr war er bei Sleuth. Dann kamen ein paar neue Seifenopern, und dann

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