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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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das alles wie das Ende einer Liebesaffäre in einem B-Movie?«
    Sie küßte ihn auf die Wange. »Ja, es hört sich wirklich so an, was?«
    »Eine komische Affäre. Du bist nicht mal so lange geblieben, daß ich dir meine Eltern vorstellen konnte.«
Beim Gynäkologen
    Das Wartezimmer war in dem gleichen Grünton gehalten, der DeDe schon damals im Convent of the Sacred Heart deprimiert hatte. An den Wänden hingen Clowns – weinende Clowns –, und es gab nichts zu lesen außer dem Ladies’ Home Journal vom Juli 1974.
    Es war nicht anders als beim Zahnarzt.
    Die Sprechstundenhilfe schenkte DeDe keine Beachtung. Sie las den Chronicle und plünderte eine Tüte Paprikachips.
    »Wird es noch lange dauern?« fragte DeDe und ärgerte sich im selben Moment über ihren unterwürfigen Ton.
    »Was haben Sie gesagt?« Das halslose Ungeheuer zeigte sich deutlich verärgert, weil es bei seiner Lektüre gestört worden war. »Ach so … Der Doktor wird sich gleich um Sie kümmern.« Sie machte ein etwas freundlicheres Gesicht, hielt die Zeitung hoch und deutete auf eine Kolumne auf der Rückseite. »Haben Sie das heute schon gelesen?«
    DeDe reagierte abweisend. »Ich lese die Kolumne nie.«
    »Ach … das gibt’s doch nicht!«
    »Wenn ich es doch sage. Es ist der reinste Quatsch. Eine Freundin von mir war schon mal kurz davor, ihn zu verklagen.«
    »Das ist ja toll. Haben Sie schon mal …« Sie unterbrach sich mitten im Satz und schob rasch einen Katalog für Ärztebedarf über die Zeitung, als gleich neben ihrem Schreibtisch eine Tür aufschwang.
    DeDes Blick traf auf einen schlanken blonden Mann in blauem Baumwollhemd, legeren Hosen und weißer Baumwolljacke. Sie mußte sofort an Ashley Wilkes denken.
    »Ms. Day?«
    Der Punkt ging an ihn. Sie hatte am Telefon kein Wort über ihren Familienstand verloren, sondern sich bloß als »eine Freundin von Binky« vorgestellt und sich dabei wohl genauso heimlichtuerisch angehört wie jemand, der während der Prohibition in eine Flüsterkneipe eingelassen werden wollte.
    »Ja«, sagte sie tonlos und streckte ihm die Hand hin.
    Weil er ihr Unbehagen bemerkte, führte er sie aus dem Wartezimmer in den Raum mit den Klettergeräten.
     
    »Ist Ihnen öfter übel in letzter Zeit?« fragte er sanft, als er sich an die Arbeit machte.
    »Öfter nicht, aber manchmal. Zum Beispiel, wenn ich Zigarettenrauch rieche.«
    »Gibt es Essen, das Sie nicht vertragen?«
    »Ja, schon.«
    »Und zwar?«
    »Schweinefleisch süß-sauer.«
    Er gluckste. »Aber eine halbe Stunde später geht es Ihnen wieder gut.«
    Es gab hier nichts zu lachen. DeDe verschloß sich ihm gegenüber … soweit das in ihrer Lage überhaupt ging.
    »Waren Sie in letzter Zeit öfter müde?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie geht es Binky?«
    »Wie bitte?«
    »Wie es Binky geht. Ich habe sie seit dem Filmfestival nicht mehr gesehen.«
    »Sie … Ich glaube, es geht ihr gut.« Es empörte sie, daß jemand in so einem Augenblick von Binky Gruen reden konnte.
    Als er fertig war, kam er mit einem Lächeln auf seinem glatten Gesicht vom Waschbecken zurück. »Sie können es behalten, wenn Sie wollen?«
    »Was?«
    »Das Baby. Es ist nicht nötig, auch noch das Ergebnis der Urinuntersuchung abzuwarten. Sie werden Mutter, Mrs. Day.«
    DeDe fragte sich hinterher, ob ein automatischer Abwehrmechanismus ihre Reaktion auf diese Eröffnung gedämpft hatte. Sicherlich hätten sich die wenigsten Frauen ausgerechnet diesen Moment ausgesucht, um sich in Gedanken an die strahlend blauen Augen ihres Arztes zu verlieren.
     
    Nach der Untersuchung wurde er DeDe immer sympathischer. Seine schlaksige Lockerheit und sein jungenhaftes Lächeln wirkten befreiend. Sie hatte das Gefühl, daß sie ihm vertrauen konnte. Ja zum Baby oder nein zum Baby? Sie war überzeugt, daß er das Delikate an ihrer Situation spürte.
    »Rufen Sie mich an«, sagte er, »sobald Sie sich entschieden haben. Und in der Zwischenzeit nehmen Sie die hier.« Er zwinkerte ihr zu. »Sie sind rosa und hellblau. Eine subtile Propagandamaßnahme.«
    Er verabschiedete sich im Wartezimmer von ihr und wandte sich an die Sprechstundenhilfe, als DeDe zur Tür ging.
    »Sind Sie mit der Zeitung durch?«
    Sie nickte und gab ihm den Chronicle.
    Er schlug dieselbe Seite auf, von der die Sprechstundenhilfe so gefesselt gewesen war. Als erstes schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht, dann schüttelte er den Kopf.
    »Abartig«, sagte der Arzt. »Richtig abartig.«
Die Diagnose
    Bestürzt starrte

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