Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Kopf auf seine Trimmbank.
»Entschuldige, wenn ich dich …«
»Das macht doch nichts.«
»Ich … Gilt deine Einladung zu einem Joint noch?«
Während Brian sich Mary Anns Schreckensbericht anhörte, war auf seinem Gesicht fast keine Reaktion abzulesen. Als sie fertig war, stieß er einen leisen Pfiff aus. »War er ein guter Freund von dir?«
Mary Ann schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht.«
»Und deswegen tut es jetzt ganz besonders weh, was?«
»Mein Gott, Brian, wenn ich nur ein bißchen mehr mit ihm geredet hätte …«
»Ach nein, das hätte auch nichts geändert.« Er schüttelte den Kopf und lächelte mitleidig. »Dann haben wir also beide einen wunderbaren Tag hinter uns.«
»Was hast du erlebt?«
»Nicht viel. Ich war bei einer Party in Stinson Beach.«
»Und es hat dir nicht gefallen?«
Er zog an dem Joint. »Stell dir mal folgendes vor. Fünf Ehepaare und ich. Lauter junge Leute. Das heißt … halbwegs junge Leute. So dreißig bis fünfunddreißig. Sie laufen immer noch in Turnschuhen rum, wohlgemerkt, aber sie fahren inzwischen einen Audi, schicken ein paar kleine Würmer auf die Französisch-Amerikanische Schule und unterhalten sich über ihre Cuisinarts …«
»Ihre was?«
»Über ihre edlen Küchengeräte.« Er gab den Joint an sie weiter. »Nächste Einstellung: ein Strand voller schweinchenrosa Leute, die Frauen auf der einen Seite, in angeregtem Geplauder über Whirlpools und Zellulitis und den besten Laden für Vollreifen Brie … und die Typen am Volleyballnetz, wo sie in ihren uralten Madras-Bermudas, die ihre Frauen ihnen schon mindestens zweimal weiter machen mußten, husten und pusten … und dazu diese Horden von butterblonden Kindern, die sich darum streiten, wer mit Big Bird und G. I. Joe spielen darf …«
Mary Ann lächelte zum erstenmal. »Ich seh’s vor mir.«
»Und mitten in dem ganzen Durcheinander unser Held … der sich fragt, ob er vom Sozialamt Essenmarken kriegen kann, falls er bei Perry’s aufhört … der inbrünstig hofft, daß ihn die Tripperklinik in dieser Woche mal nicht anruft …«
Er hörte auf zu reden, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Das war ein Witz, Mary Ann … Und dann kommt dieser Typ aus dem Haus gelaufen, mit einer Gitarre um den Hals, als war er bei einer Hootenanny-Session gewesen, nur daß er in Wirklichkeit Rechtsanwalt ist … und er schmeißt sich in den Sand und legt los mit: ›I don’t give a damn about a greenback dollar …‹ … und alles klatscht und singt und schunkelt mit den Kindern auf dem Schoß …«
Mary Ann nickte, obwohl sein zynischer Ton sie irritierte. Für sie hörte sich das alles ausgesprochen niedlich an.
»Schauerlich! Sobald die Singerei losging, bin ich ins Haus zurück, hab mich in einem Zimmer aufs Bett gesetzt, einen Joint geraucht und mich bei meinen Glückssternen bedankt, daß ich nicht ebenfalls in diesem erbärmlichen Mittelklassegefängnis stecke!«
»Ich verstehe.«
»Und dann kommt … dieses Kind ins Zimmer marschiert … so ungefähr sechs … und sie fragt mich, warum ich nicht singe, und ich erkläre ihr, daß ich ein lausiger Sänger bin, und sie sagt, daß sie das verstehen kann, weil sie auch ganz schlecht singt.«
»Wie süß.«
»Ja, die war in Ordnung.«
»Ist sie bei dir geblieben?«
»Sie wollte, daß ich ihr was vorlese.«
»Und, hast du’s gemacht?«
»Nicht besonders lang. Du meine Güte, war ich vielleicht stoned.«
»Für mich hört sich das alles überhaupt nicht schlimm an.«
»Ihr Alter und ich waren gemeinsam auf der George Washington.«
»Wo?«
»Wir haben beide an der gleichen Fakultät Jura studiert. Er ist der Kerl, der sich aus dem greenback dollar nichts gemacht hat.«
»Du warst mal Rechtsanwalt?«
Der Joint war inzwischen so kurz, daß Brian sich die Finger verbrannte. Er warf den Stummel auf den Boden und trat ihn aus. »O ja … nur habe ich mir aus dem greenback dollar auch in der richtigen Welt nichts gemacht. Als einer, der nichts gekostet hat, war ich weit und breit begehrt.«
»Du hast nichts verlangt?«
»Nicht, wenn du in Chicago schwarz warst … oder in Toronto Wehrdienstverweigerer oder in Arizona Indianer … oder in LA. Chicano.«
»Aber du hättest doch …«
»Jura habe ich gehaßt. Die Fälle waren mir wichtig … und … na ja, irgendwann hatte ich dann keine mehr.«
Er schaute auf seine Hände, die zwischen seinen Knien baumelten. »Der gute alte Vincent und ich hätten ein prima Gespann abgegeben.«
»Brian
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