Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
Frannie ihre Tochter an.
    »O Gott, DeDe! Bist du sicher?«
    Dede nickte, während sie mit den Tränen kämpfte. »Ich habe heute morgen mit ihm gesprochen.«
    »Und … er ist sich ganz sicher?«
    »Ja.«
    »O mein Gott.« Frannie hielt sich an dem schmiedeeisernen Gitter im Frühstückszimmer fest, als könnte sie daran auch inneren Halt finden. »Warum erfahren wir das … erst jetzt? Warum hat er uns nicht schon früher aufgeklärt?«
    »Weil er es noch nicht genau wußte, Mutter.«
    Frannie wurde schrill. »Nicht genau wußte? Woher nimmt er das Recht, den lieben Gott zu spielen? Haben wir nicht ein Recht, Bescheid zu wissen?«
    »Mutter …«
    Frannie wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht vor ihrer Tochter. Sie nestelte an einem Topf gelber Spinnenchrysanthemen herum. »Hat der Arzt … hat er gesagt, wieviel Zeit ihm noch bleibt?«
    »Ein halbes Jahr«, sagte DeDe leise.
    »Wird er … leiden?«
    »Nein. Jedenfalls nicht vor dem Ende.« DeDes Stimme versagte. Ihre Mutter hatte zu weinen angefangen. »Bitte nicht, Mutter. Er ist doch schon so alt. Es ist einfach Zeit für ihn, hat der Tierarzt gemeint.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Auf der Terrasse.«
    Frannie wischte sich im Hinausgehen die Tränen aus den Augen.
    Auf der Terrasse kniete sie sich neben die Chaiselongue, auf der Faust schlief.
    »Armes Herzchen«, sagte sie und streichelte die ergraute Schnauze des Hundes. »Mein armes, liebes Herzchen.«
     
    Um die Mittagszeit stocherte Frannie verdrießlich in ihrem Käsesoufflé herum und redete gegen das Stimmengewirr im Cow Hollow Inn an.
    »Ich habe gesagt … ich hoffe, daß ich mich darauf einstellen kann.«
    »Du schaffst das schon.« Helen Stonecypher feuchtete ihre Serviette an und befreite einen ihrer Schneidezähne von einer Geminesse-Lippenstift-Spur.
    »Findest du, daß ich gefühlsduselig bin?«
    »Aber nein.«
    »Ich dachte, ich lasse vielleicht seinen Freßnapf bronzieren … Als eine Art … Andenken.«
    »O wie süß.«
    »Du weißt, wie wenig ich Frauen ausstehen kann, die wegen ihrer Hunde hysterisch werden … aber Faust war … ist …« Ihre Stimme verließ sie.
    Helen tätschelte Frannies Hand, so daß die Armreifen der beiden Frauen im Gleichklang klimperten. »Tu das, was für dich am besten ist mein Schatz. Erinnerst du dich noch an Choy? An den Koch meiner Großmutter in dem großen Haus an der Pacific Avenue?«
    Frannie nickte und kämpfte weiter gegen ihre Tränen.
    »Also, der alte Choy war für Omilein das liebste Wesen auf der Welt … und als er gestorben ist …«
    »Daran kann ich mich noch erinnern. Hat er sie da nicht gerade im Rollstuhl über den Jahrmarkt auf Treasure Island geschoben?«
    Helen nickte. »Als er tot war, hat Omilein seinen Zopf abschneiden und sich daraus einen Choker machen lassen.«
    »Einen was?«
    »Ein enganliegendes Halsband, mein Schatz … mit drei oder vier sehr distinguierten kleinen Elfenbeinperlen, die in die Stränge eingearbeitet wurden. Es hat richtig hübsch ausgesehen, und Omilein hat das Halsband abgöttisch geliebt. Deswegen hatte sie es auch um, als sie 1947 in unserer Loge starb.«
    »Ach ja, ich erinnere mich«, sagte Frannie mit einem tapferen Lächeln. »Götterdämmerung. «
     
    Helen steckte ihre Puderdose zurück in die Handtasche. »Komm jetzt, Schatz. Gehen wir auf einen ordentlichen Drink ins Jean’s.«
    »Helen … nicht gerade jetzt.«
    »Schatz, du bist wirklich down!«
    »Es geht mir sicher gleich wieder …«
    »Er war nun mal ein sehr betagter Köter.«
    »Ist.«
    »Ist … Frannie, sieh es doch mal so: Er hatte ein langes und erfülltes Leben. Kein Hund hatte es jemals so gut wie er.«
    »Das stimmt«, sagte Frannie, und ihre Miene hellte sich etwas auf. »Das stimmt absolut.«
Die Tollivers fallen ein
    Alles in allem war das Halloween-Wochenende ganz gut verlaufen.
    Bisher.
    Michaels Eltern hatten gleich nach ihrer Ankunft in San Francisco einen Dodge Aspen gemietet, so daß es ein leichtes gewesen war, ihnen mit Muir Woods, Sausalito, der Lombard Street – der »krummsten Straße der Welt« – und Fisherman’s Wharf die Zeit zu vertreiben.
    Aber inzwischen war es Sonntag. Der Hexensabbat stand ihnen erst noch bevor.
    Wenn Michael es geschickt, das heißt sehr geschickt anstellte, konnte er sie vielleicht hindurchmanövrieren und ihr Reader’s-Digest -Feingefühl vor den Schrecknissen der Liehe, die ihren Namen nicht zu sagen wagt, bewahren.
    Unter Umständen.
    In dieser Stadt, dachte Michael, hielt Die Liebe,

Weitere Kostenlose Bücher