Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Hampton-Giddes hatten nirgendwo geknausert, stellte Jon fest. Braunes Wildleder an den Wänden. Das Kaminholz in einem verchromten Ständer. Tonnenweise Marmor und ein Beleuchtungssystem, das für eine kleinere Aida -Inszenierung gereicht hätte.
Der Arzt grinste seinen Rechtsanwaltsfreund an. »Jemand hat mir erzählt, daß man sogar ihren Fernseher runterdimmen kann.«
Collier grinste ebenfalls: »Die können ihr ganzes Leben runterdimmen.«
An der Dinnerparty nahmen acht Personen teil. Rick Hampton und Arch Gidde (die Hampton-Giddes), Ed Stoker und Chuck Lord (die Stoker-Lords), Bill Hill und Tony Hughes (die Hill-Hugheses) und Jon Fielding und Collier Lane.
Jon und Collier suchten Zuflucht im schwarzen Onyxbadezimmer der Hampton-Giddes.
»Mensch, Jon, geht dir dieses Gerede über neugestaltete Küchen nicht auf die Nerven?«
»Zieh dir eine Bahn rein«, sagte der Arzt. »Mit Koks geht alles besser.«
Die Hampton-Giddes hatten für ihre Gäste Kokain bereitgestellt. Aber nur im Badezimmer. Außer Sichtweite der Dienstboten. Collier schniefte eine Bahn.
»Gehen wir doch in die Sauna«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.
»Wir können nicht einfach abhauen, Collier.«
»Warum nicht? Ich langweile mich hier zu Tode.«
»Dann zieh dir noch eine rein.«
»Wo bleiben eigentlich die Schnittchen? Normalerweise zeigen unsere Gastgeber Anstand und laden ein oder zwei dekorative Schnittchen ein … Mein Gott, wer ist schon scharf darauf, sich den ganzen Abend diese abgeschlafften alten Gucci-Tunten anzuschauen.«
»Ich kann jetzt nicht gehen. Vielleicht nach dem Film …«
»Scheiß auf den Film! Wo bleibt denn da das richtige Leben? Noch dazu haben wir heute Vollmond! Kannst du dir vorstellen, was da in der Sauna …?«
Jon kniff Collier in die Backe. »Es gibt so etwas wie gesellschaftliche Verpflichtungen, mein Junge.«
»Du bist ein Waschlappen, Fielding.«
Jon lächelte. »Dusch dich kalt ab. Das hält ’ne Weile an.«
»Also«, sagte William Devereux Hill III., als er Edward Paxton Stoker Jr. die gedämpfte Winterendivie reichte, »haben Tony und ich im Gesellschaftskalender für St. Louis nachgeschlagen, und sie stehen nicht drin. Keiner von beiden.«
»Schrecklich.«
»Und machen wir uns doch nichts vor, mein Schatz. In St. Louis ist da nicht allzu schwer reinzukommen!«
»Wie wäre es mit dem Achten?« fragte Archibald Anson Gidde.
Charles Hillary Lord blätterte seinen in schwarzes Leder gebundenen Hermès-Terminkalender um. »Tut mir leid. An dem Abend führt Edward Mrs. Langhurst ins Konzert aus, weil Edo de Waart dirigiert. Die Musik macht aus mir wieder mal eine grüne Witwe.«
»Was ist mit dem Mittwoch darauf?«
»Da haben wir Karten fürs Theater.«
»Ich passe.«
»Es ist schon verrückt, nicht?« seufzte Charles Hillary Lord.
»Was macht dein Schnittchen?« fragte Richard Evan Hampton und grinste Jon Philip Fielding über den Marmortisch hinweg affektiert an.
»Wer?«
»Dieses Schnittchen in Jockey-Shorts. Aus dem Endup.«
»Ach so … Ich hab ihn schon länger nicht mehr gesehen.«
»Na, er war wohl auch kaum dein Typ, nicht?«
»Hmh?«
»Ich meine, wie viele Leute kennst du denn schon, die an einem Tanzwettbewerb in Unterhosen teilnehmen?«
»Ihn kannte ich jedenfalls. Und ich mochte ihn, Rick.«
»Dann werde ich mich wohl entschuldigen müssen, meine Liebe.«
»Nein, ich werde mich entschuldigen.«
»Wieso?«
»Wir haben Vollmond, Mr. Hampton, und ich kann dieses ›Daughters of the American Revolution‹-Kränzchen nicht länger ertragen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, meine Herren.« Er schob seinen Stuhl zurück, stand auf und nickte seinem Freund zu. »Ich nehme mir ein Taxi«, sagte er.
»Den Teufel wirst du tun«, sagte Collier Lane.
In ihren Brioni-Blazern rauschten sie ab in die Sauna.
Normans Geständnis
Nach dem dritten Glas Weißwein im Beach Chalet machte Mary Ann das spießig-rustikale Archie-Bunker-Ambiente des Lokals kaum noch etwas aus.
»Es gefällt mir hier«, gab sie Norman gegenüber freimütig zu. »Die Kneipe ist sehr … urwüchsig.« Zum Teufel mit Beauchamp und seiner schnoddrigen Bemerkung über die Veterans of Foreign Wars.
»Ich dachte, daß dir die Freski hier vielleicht gefallen«, sagte Norman.
»Die was …?«
»Die Malereien an den Wänden.«
»Ach so … ja, sie sind toll. Jugendstil, nicht?«
Norman nickte. »Der gute alte Mr. Roosevelt und seine Beschäftigungsprogramme aus dem New
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