Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Ich meine, Rudi ist da immer hingegangen, und das sagt ja eigentlich alles! … So was hab ich dort nie gesehen … Ach, ganz bestimmt nicht, Bobby. Ich hab nie gesehen, daß da einer mit der Faust … Aber das ist sowieso egal. Das Toilet ist schlicht und einfach ein Dreckloch. Ich hab mir dort ein wunderbares Paar Bergdorf-Goodman-Schuhe kaputtgemacht …«
In diesem Stil ging es noch zehn Minuten weiter. Als D’orothea auflegte, lächelte sie Mona entschuldigend an. »Scheiße, da bin ich gerade noch rechtzeitig abgesprungen. Der Big Apple ist so wurmstichig, daß es sich mit Worten gar nicht mehr beschreiben läßt.«
»Und deswegen brauchst du jeden Abend den aktuellen Bericht von dort, oder wie?«
»Ach, doch nicht jeden Abend.«
»An Verderbtheit haben wir hier auch einiges zu bieten … Und was ist eigentlich das Toilet?«
»Eine Bar.«
»Das ist klar.«
»In der Vogue ist ein Artikel darüber drin.«
»Und ich Dummerchen hab sie gar nicht …«
»Heh! … Was hast du denn, Mona?«
»Es hängt mir einfach zum Hals raus, daß ich mich dauernd mit New York beschäftigen muß. Ich meine, du bist wieder hierher gezogen, und ich finde, du …«
»Darum geht’s doch nicht, Mona. Du trauerst irgendwas nach.«
»Das stimmt nicht. Ich bin immer so.«
»Ich glaube, daß dir Michael fehlt.«
»Übertreib’s nicht mit dem Analysieren.«
»Wenn wir nicht darüber reden, mein Engel, dann …«
»Es ist nichts dahinter. Ich hab nur miese Laune. Vergiß es einfach.«
»Mir fällt auch schon bald die Decke auf den Kopf. Komm … gehen wir spazieren.«
In der Barbary Lane kochte Brian Hawkins gerade einen Beutel tiefgefrorenen Chinamix. Als das Essen fertig war, schlang er es noch am Küchentisch hinunter und sah dabei seine Post durch.
Es war nicht viel. Ein Werbezettel für eine neue Pizzeria. Ein Rundschreiben der Chicago Urban League. Ein Umschlag in knalligem Pink mit dem Treasure Island Trailer Court als Absender.
In dem Umschlag steckte eine Briefkarte mit dem aufgedruckten Gesicht eines niedlichen kleinen Kindes, eines nymphenhaften Wesens, das mit schmachtendem Blick aus dem Fenster eines Wohnhauses sah.
Lieber Brian,
bei Perry’s hat man mir deine Adresse gegeben. Hoffentlich ist dir das auch recht. Ich wollte dir nur sagen, wie fabelhaft es mit dir war. Du bist ein richtig lieber Kerl, und ich hoffe, du rufst mich mal an. Ich kann dich nicht anrufen, weil ich kein forscher Typ bin. Ha, ha. Aber im Ernst, du bist ein richtig toller Mensch. Fühl dich nicht verpflichtet, mir auch zu schreiben.
Ich liebe dich
Candi
Das i in »Candi« hatte sie mit einem Smiley bekrönt.
Brian warf die Post in den Mülleimer, stellte das Geschirr in die Spüle und ging ins Schlafzimmer, um sich einen Joint zu drehen. Er hatte noch etwas Maui Wowie da. Jedenfalls genug für eine hübsche Dröhnung.
Als er auf dem gebraucht gekauften Sofa lag, ging er im Geist die unbefriedigenden kleinen Eskapaden des letzten halben Jahres durch. Mary Ann Singleton, die ihm noch immer keine Ruhe ließ … Connie Bradshaw, ein richtiges Kitschmuseum … die Tussi aus den Sutro Baths … und jetzt ein Mutter-Tochter-Gespann!
Er lachte schallend.
Entweder war er ein Masochist oder Gott ein Sadist.
Nach einer Weile stand er auf und zog sich Levi’s und ein khakifarbenes Armeehemd an. Er ging zur Tür, blieb kurz stehen und machte dann noch mal kehrt, um einen zweiten Joint zu drehen.
Dann sprang er die Treppe hinunter in den ersten Stock und klingelte bei Michael.
Vollmond in Seacliff
Jon Fielding konnte einen Anflug von Neid nicht unterdrücken, als der Diener der Hampton-Giddes ihm einen gefüllten Pilz anbot.
Harold war eine absolute Entdeckung.
Tüchtig, zuvorkommend und intelligent. Mit der richtigen Mischung aus milchkaffeebrauner Haut und grauen Schläfen, um als altes Familienfaktotum durchgehen zu können … ein überzähliger Diener, den Mutter aus dem vornehmen Neuengland rübergeschickt hatte.
»Er ist eine Perle«, sagte Jon zu Collier Lane, sobald Harold sich wieder entfernt hatte.
Collier nickte. »Schlichtweg perfekt. So eine Art schwuler Uncle Ben.«
»Ist er denn schwul?«
»Es wäre ihm zu wünschen. Er ist nämlich der Filmvorführer.«
»Schauen wir hier Filme an?«
»Ja, dort drüben. Vor dem Claes Oldenburg, der wie eine Ansammlung von Einkaufstüten aussieht. Die Leinwand kommt von der Decke herunter. Nach den Zigarren und dem Brandy lassen sie Boys in the Sand laufen.«
Die
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