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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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und küßte ihn trotzdem. »Na und?« sagte sie. »Was ist, wenn ich den kleinen Stinker mag?«
    Glucksend schloß er sie in die Arme. »Na, wie war’s heute?«
    »Beschissen«, sagte sie ihm direkt ins Ohr.
    »Hast du mit Larry Kenan geredet?«
    »Mhmm.«
    »Und?«
    »Er will immer noch einen Fick, bevor er verhandelt.«
    Brian riß sich von ihr los. »Das hat er gesagt?«
    »Nein.« Mary Ann lächelte über seine aufgeregte Reaktion. »Jedenfalls nicht direkt. -Ich weiß halt, wie er funktioniert. Bambi Kanetaka ist der lebende Beweis dafür.«
    Brian tat, als hätte er nicht verstanden. »Ich find sie auch total scharf.«
    Mary Ann zwickte ihn in den Po.
    »Scharf und forsch. Eine erfolgversprechende Kombination.«
    »Ich mach’s noch mal«, warnte ihn Mary Ann.
    »Ich hab gehofft, daß du das sagst«, meinte Brian grinsend. »Nur langsamer diesmal, okay?«

Erinnerungen an Lennon
    Das Schöne am Kellnerdasein war, daß man den ganzen verdammten Kram von einem Tag auf den anderen hinschmeißen konnte.
    Es gab keine Betriebsrenten, die einen Umtrieben, keine Digitaluhren zum fünfzigsten Dienstjubiläum, keine nervtötenden Forderungen nach Loyalität oder Betriebstreue. Kurz, es war etwas für den Lebensunterhalt, aber nie und nimmer ein Beruf.
    Hatte er immer gedacht.
    Inzwischen, nach sechs Jahren bei Perry’s, kamen ihm einige Zweifel. Wenn es jetzt noch kein Beruf war, wann dann? Nach zehn Jahren? Nach fünfzehn? Wollte er es so? Wollte sie es so?
    Er löste sich von ihr und starrte schweigend zur Decke hoch.
    »Okay«, sagte Mary Ann. »Raus damit.«
    »Schon wieder?«
    Sie lachte über seinen Witz und kuschelte sich an seine Schulter. »Ich weiß, wie jemand aussieht, der nachdenkt. Also, worüber denkst du nach?«
    »Ach … wahrscheinlich über die Zulassung. Ich glaub, es wird langsam Zeit.«
    »Ich hab gedacht, du willst auf keinen Fall selber ein Lokal.«
    Er zuckte zusammen. »Bei Gericht, Mary Ann. Als Rechtsanwalt in Kalifornien.«
    »Oh.« Sie schaute ihn an. »Ich hab gedacht, das wolltest du auch auf keinen Fall.«
    Darauf hatte er keine Antwort parat. Es stimmte, daß er diesen Beruf gehaßt hatte, daß ihn jede Minute seines Daseins als Rechtsanwalt Brian Hawkins gelangweilt und ihm den letzten Nerv geraubt hatte. Seinen Haß hatte er durch engagierte Arbeit sublimiert – Schwarze, Indianer, Ölteppiche –, aber die »gute alte Langeweile«, wie er sie nannte, hatte sich als genauso beharrlich und zählebig erwiesen wie das Gesetz.
    Beim Gedanken an die sirrende Neonbeleuchtung, die ihn in dem mit Chinaleinen und Walnußmöbeln ausgestatteten Besprechungszimmer seiner letzten Anwaltskanzlei endlose Stunden lang gequält hatte, krümmte er sich noch jetzt. Eine solche Einrichtung stand für alles, was am Leben – wenn man es denn so nennen konnte – in der Geschäftswelt kleinkariert und ekelhaft war.
    Deshalb war er seinem Beruf entflohen und Kellner geworden.
    Darüber hinaus war er zum Schwerenöter geworden, der auf seiner hektischen und unersättlichen Jagd nach »Käfern« in Singlebars und Waschsalons eingefallen war. Er hatte sein Leben einfacher gemacht, seinen Körper der Mode angepaßt und die »gute alte Langeweile« bezwungen.
    Doch jetzt geschah etwas ganz anderes. Die Frau, die er einmal als »verklemmte Tussi aus Cleveland« bezeichnet hatte, war zweifellos die Liebe seines Lebens.
    Und sie war diejenige, die Karriere machte.
    »Ich muß was tun« ,sagte er zu Mary Ann.
    »In welcher Beziehung?«
    »Arbeitsmäßig«, sagte Brian. »Jobmäßig.«
    »Findest du, daß du zu wenig Trinkgeld …?«
    »Es geht nicht ums Geld.« In seiner Stimme lag eine gewisse Schärfe. Sein schwindender Stolz machte ihn reizbar. Laß es nicht an ihr aus, ermahnte er sich. »Ich kann so einfach nicht mehr weitermachen«, fügte er in sanfterem Ton hinzu.
    »Was heißt ›so‹?« fragte sie vorsichtig.
    »Wie jemand, der von dir abhängig ist. Das ertrag ich nicht, Mary Ann.«
    Sie sah ihn nüchtern an. »Es geht also doch ums Geld.«
    »Getrennte Kasse machen ist das eine. Was anderes ist es … ich weiß nicht … ausgehalten zu werden oder so.« Selbstverachtung und Verlegenheit trieben ihm die Röte ins Gesicht.
    Mary Ann lachte unbekümmert. »Ausgehalten? Jetzt mach aber mal ’nen Punkt, Brian! Ich hab uns ein Wochenende in Sierra City bezahlt. Weil ich es wollte, du Dummkopf. Es war für mich das gleiche wie … ach, Brian.« Sie griff nach seiner Hand. »Ich hab geglaubt, wir hätten

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