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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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geschwiegen hatte, wandte sich an den Eskimo Scout: »Und in die andere Richtung?«
    Andy Omiak schaute skeptisch. »Sie meinen …?«
    »Wenn jemand auf die russische Insel übersetzen wollte, würden Sie das auch mitbekommen?«
    »Ach so … na ja … dort drüben ist sie doch. Es wär nicht schwer, jemand zu sehen, der’s vielleicht probiert. Zu der Jahreszeit wird’s nie dunkel … warum fragen Sie eigentlich?«
    DeDe ging im gleichen Tempo weiter und schaute stur geradeaus. »Wir rechnen damit, daß es jemand probiert. Das heißt, vielleicht hat er’s schon probiert.«
    »Einer vom Festland?«
    DeDe nickte. »Ein Mann um die Fünfzig und zwei vierjährige Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Die beiden sind Eurasier und hatten Parkas an, so daß man sie vielleicht für Eskimos gehalten hat.«
    Andy Omiak lächelte. »Garantiert nicht. Hier kennt jeder jeden. So was würden wir sofort sehen.«
    Mary Ann fragte: »Wenn sie vom Festland kommen würden, müßten sie dann mit dem Flugzeug hierher?«
    Der Eskimo Scout zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich. Das ist der normale Weg. Aber er könnte auch mit dem Boot kommen … aus Wales oder so. Nur hätt’s für ihn wenig Sinn, hier haltzumachen. Warum sollte er nicht direkt nach Big Diomede fahren?«
    Das war eine gute Frage – eine, die einen Schatten warf auf den Sinn ihrer Suche. Angesichts der umherstreifenden Hunde und der Eskimo Scouts war eine Reiseunterbrechung auf Little Diomede fast schon tollkühn. Warum nicht gleich nach Big Diomede fahren, wenn man überhaupt fuhr?
    Willie Omiak, Andys Pilotencousin, trennte sich von ihnen, sobald sie zu Andys Haus kamen, einem stabilen Gebäude aus Holz und Teerpappe nahe dem Strand. »Ich bin auf dem Rollfeld«, sagte er. »Schreien Sie, wenn Sie mich brauchen.«
    »Danke«, sagte DeDe und sah ihn ehrlich dankbar an. »Sie sind sehr freundlich.«
    »Kein Problem. Ach so, reisen Sie denn morgen wieder ab?«
    »Ich denke schon«, sagte DeDe. »Kann ich Ihnen das später noch sagen?«
    »Klar. Nana wird gut für Sie sorgen.«
    Nana war seine Großmutter, ein rundliches und runzliges altes Weib, das Mary Ann an die Puppen aus getrockneten Äpfeln erinnerte, die es auf dem Renaissance Pleasure Faire zu kaufen gab. Da sie sehr wenig Englisch konnte, schenkte sie ihnen nur ein zahnloses Lächeln, als sie mit zwei dampfenden Bechern Kakao ankam.
    Mary Ann verbeugte sich übertrieben, um ihre Dankbarkeit zu zeigen. »Wie reizend«, sagte sie zu Andy Omiak.
    »Wir kriegen nicht viel Besuch«, sagte er grinsend. Er wandte sich in ihrer Sprache an seine Großmutter. Die alte Frau sah Mary Ann an, kicherte und huschte aus dem Zimmer.
    »So«, sagte Andy Omiak, »und jetzt sollten Sie mir vielleicht mal erzählen, was das alles soll.«
    Peinliches Schweigen folgte. Dann sagte DeDe: »Jemand hat meine Kinder entführt.«
    Der Eskimo Scout runzelte die Stirn. »Jemand, den Sie kennen?«
    »Ja.«
    »Aber … warum?«
    »Er will sie für sich haben«, sagte sie. »Er ist verrückt. Wir glauben, daß er sie nach Rußland bringen will.«
    »Haben Sie die Festlandpolizei informiert?«
    »Nein«, sagte DeDe. »Niemand.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist etwas kompliziert«, sagte DeDe. »Wenn er erfährt, daß wir die Polizei eingeschaltet haben, tut er den Kindern vielleicht was an.«
    »Sie müssen ganz schön in Sorge sein«, sagte Andy Omiak.
    »Ich dreh schon fast durch.«
    »Und Sie wollen rausfinden, ob er die beiden nach Big Diomede gebracht hat?«
    »Ja.«
    Der Eskimo wollte etwas sagen, überlegte es sich anders und schaute zur Seite. »Ich könnte ganz schön in Schwierigkeiten kommen«, sagte er schließlich.
    »Ich fürchte, ich …«
    »Falls ich Ihnen helfe … dürfen Sie es niemand sagen.«
    »Versprochen«, sagte DeDe.
    Andy Omiak rückte näher heran und sagte in einem verschwörerischen Ton: »Ich kann Sie hinbringen.«
    »Nach …?«
    Er nickte. »Es war nicht das erste Mal.«
    Mary Ann schaute von ihrem Kakao auf. »Moment mal. Sie meinen doch nicht etwa …?«
    »Aber ja«, sagte der Eskimo. »Man kann rüber.«
    »Ohne daß man beschossen wird?«
    Andy Omiak grinste. »Es geht.«

Anna und Bambi
    Mrs. Madrigal bereitete gerade das Tablett für Bambi Kanetaka vor, als Michael in die Küche kam.
    »Was gibt’s zu essen?« fragte er und hob den Deckel von einer Servierplatte. »Mmmm … Papagei … meine Lieblingsspeise!«
    Die Vermieterin fuhr ihn an. »Das ist Fünf-Gewürze-Hähnchen, Michael! Außerdem wär ich

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