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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Auslagen, die Ihnen dadurch entstanden sind.«
    Der Mann lachte. »Aber Sie wollen keinen Kaffee, hm?«
    Prues Hand schloß sich noch fester um die Pfeife. »Wissen Sie, ich bin … es ist schrecklich nett von Ihnen … aber, äh … mein Fahrer … das heißt, ein Freund von mir wartet drüben am Gewächshaus auf mich. Trotzdem, schönen Dank. Sehr freundlich von Ihnen.«
    Der Mann zuckte mit den Schultern, drehte sich um, ging in die Hütte und schloß die Tür hinter sich.
    Prue wartete.
    Und wartete.
    Es war wirklich zu ärgerlich. Was bildete er sich eigentlich ein? Es war ein leichtes, ihren Besitzanspruch auf den Hund zu belegen und diesen Penner festnehmen zu lassen, weil er Vuitton nicht mehr hergeben wollte.
    Prue überlegte. Sie konnte zum Gewächshaus zurückgehen und auf das Eintreffen ihres Fahrers warten; der sah ziemlich imposant aus und würde den Mann so weit einschüchtern, daß er Vuitton freiließ. Natürlich konnte sie auch einfach die Polizei holen.
    Andererseits, warum sollte sie dieses Ärgernis durch eine Einmischung von offizieller Seite noch verschlimmern? Sie wurde sicher auch alleine damit fertig.
    Prue hangelte sich auf der sandigen Böschung von einem Strauch zum nächsten, bis sie die Felsbank erreichte, auf der die Hütte stand. Diese versteckte Sackgasse war wirklich erstaunlich: für normale Spaziergänger praktisch nicht einsehbar und doch in Hörweite zum Verkehr auf dem Kennedy Drive.
    Prue ging entschlossen auf die Tür der Hütte zu – so entschlossen, daß sie mit dem Absatz an einer Wurzel hängenblieb und stürzte, wobei sich der Inhalt ihrer Tasche über den Boden ergoß. Wutentbrannt raffte sie ihre Siebensachen zusammen und rappelte sich auf.
    Sie pochte an die Tür.
    Als erstes hörte sie Vuittons heiseres Bellen. Dann verriet ihr das Kratzen von Holz auf Holz, daß ein selbstgemachter Riegel zur Seite geschoben wurde.
    Die Tür ging auf und gab den Blick auf dasselbe lächelnde Gesicht wie vorhin frei, ein Gesicht, das durch hohe Wangenknochen, einen ausgeprägten Unterkiefer und einen ungewöhnlichen Bernsteinton der Haut beinahe schön wirkte. Die dunklen, etwas längeren Haare des Fremden waren ordentlich gekämmt. (Waren sie das zuvor auch gewesen?) Er war wohl Ende Vierzig.
    »So ist es schon besser«, sagte er.
    Prue versuchte, ihn versöhnlich zu stimmen. »Es tut mir leid, wenn ich Sie gekränkt habe. Aber ich war so besorgt um meinen Hund. Das verstehen Sie doch sicher.«
    Vuitton schob seine lange helle Schnauze durch den Türspalt. Prue streckte die Hand aus und streichelte ihn. »Schnuckel«, säuselte sie. »Ist ja gut, Mommy ist da.«
    »Harn Sie ’nen Beweis?« fragte der Mann.
    »Schauen Sie doch mal hin«, sagte Prue. »Er kennt mich. Nicht wahr, Schnuckilein? Er heißt Vuitton. Sein Name steht auf dem Halsband. Und mein Name steht auch drauf.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Giroux. Prue Giroux.«
    Der Mann streckte ihr die Hand entgegen. »Ich heiß Luke. Kommen Sie rein.«

Drin
    Als Prue die Hütte betrat, schossen ihr Erinnerungen an Grass Valley durch den Kopf … und an das Baumhaus, das sich ihr Bruder Ben auf dem Hügel hinter der Scheune gebaut hatte.
    Bens Baumhaus war ein Heiligtum gewesen, die Mönchszelle eines Dreizehnjährigen und für seine kleine Schwester und deren Freundinnen strikt tabu.
    Allerdings war Prudy Sue eines Tages, als Ben in einer Filmvorführung saß, in den verbotenen Horst hochgeklettert und hatte klopfenden Herzens die geheimen Schätze ihres pubertierenden Bruders durchstöbert: billige Schmuddelhefte, Handkribbler, eine Zeitungsanzeige für Lucky Strikes mit Maureen O’Hara.
    Und nun, vierzig Jahre später, mußte Prue unwillkürlich an die überraschende Ordnung in Bens Versteck denken. Die penibel aufgereihten Bände von Tom Swift, die handgenähten Vorhänge aus Sackleinen an den kleinen Fenstern und die Quarzbrocken auf Apfelsinenkisten, in Reih und Glied ausgerichtet wie Diamanten in einem Tresorraum, hatten etwas beinahe Rührendes gehabt …
    »Ich hab keinen Besuch erwartet«, sagte Luke. »Sie müssen das hier schon entschuldigen.«
    »Das hier« war ein einziger, etwa zwei mal drei Meter großer Raum. Die Einrichtung bestand aus ein paar Holzkisten, einem Feldbett aus Armeebeständen und einem großen Schaumgummiklotz, der wohl als Sofa diente. In einer von Steinen eingefaßten Grube im gestampften Boden lag bereits erkaltende Glut. Auf dem Rost über der Feuerstelle stand eine blau emaillierte

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