Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
der Westen!« stieß Michael hervor, als er die Vorhänge auseinanderriß, um die Sonne hereinzulassen.
    Bill packte weiter aus. »Du lebst doch im Westen.«
    »Klar«, sagte Michael, »aber manchmal muß man nach Osten fahren, um im Westen anzukommen.«
    »Wie ist die Aussicht?«
    »Überwältigend. ’ne Tankstelle und dahinter Hügel.«
    Bill gluckste. »Toll.«
    »Außerdem sind da noch sieben – gezählte sieben – Homosexuelle, die sich auf den zwei Quadratmetern Gras zwischen uns und der Tankstelle sonnen. Mensch, weiß diese Stadt überhaupt, was auf sie zukommt?«
    Bill zuckte mit den Schultern. »Die Einarmigen Banditen können das schwule und das normale Geld nicht auseinanderhalten.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Michael. »In den Zeitungen steht, daß der Vizegouverneur anscheinend nicht besonders begeistert war. Außerdem sind sie seit der Schlagzeile im Examiner sicher ein bißchen nervös, wenn Schwuchteln nach Nevada kommen.«
    »Seit welcher Schlagzeile?«
    »Du weißt doch … die MGM-Grand-Geschichte: SCHWULER SEX LÖST HOTELFEUER AUS.«
     
    »Ach so, ja.«
    »Stell dir das mal vor«, sagte Michael. »Die ganze Stadt könnte heute nacht in Flammen aufgehen.«
     
    Ein beleuchtetes Plastikschild am Highway kündigte den Autofahrern das große Ereignis an: RENO NATIONAL GAY RODEO. Als Bill mit seinem Trans Am auf den staubigen Parkplatz einbog, begann Michael laut zu spekulieren: »Was glaubst du, wie viele von den Kerlen richtige Cowboys sind?« Er hatte ein persönliches Interesse an dieser Frage. Seine vor einer Woche gekauften Danner-Stiefel hingen bleischwer an seinen Füßen; sein blaugrün-beiges Cowboyhemd wirkte an ihm so deplaziert wie ein Polohemd an einem Matrosen auf Landgang.
    »Der da«, sagte Bill, »ist schon mal keiner.« Er deutete auf einen drahtigen Brünetten, der ein T-Shirt mit der Aufschrift »HENGSTRITT – 5 $« trug.
    Michael fiel auf, daß es noch andere Anzeichen der Verclonung gab: die vielen softeisfarbenen Bodyshirts; die vielen Strohhüte, die denen bei All-American Boy verdächtig ähnlich sahen; die vielen fitnesscentergestählten Oberkörper, auf denen T-Shirts mit dem Aufdruck »FANG MICH MIT DEINEM LASSO, UND DU DARFST MICH REITEN« klebten.
    Ein feiner Großstadtpinkel, der auch deutlich als solcher erkennbar war, hatte seinen Brustwarzenring aus gegebenem Anlaß gegen eine kleine Silberspore eingetauscht, doch Michael fand die Geste nicht sehr überzeugend.
    »Allmächtiger!« keuchte er, als er die bombastischen Brustmuskeln erblickte, die am Eingang der Rodeoarena zur Schau gestellt wurden. »Wo kommen die Typen bloß alle her?«
    »Jedenfalls nicht von der Ranch«, sagte Bill. »Echte Cowboys haben einen Bierbauch.«
    »Sei nicht so miesepetrig. Irgendeiner muß doch echt sein.«
    »Klar«, erwiderte Bill, »da drüben steht ein echter Kellner aus dem Neon Chicken.«
    Bills unterentwickelte Phantasie ging Michael allmählich auf die Nerven. In der Arena konzentrierte er sich ganz auf das Geschehn – eine deftige Show mit Kälberfangen, Bullenreiten und Wildekuhmelken. Beim letztgenannten Wettbewerb traten eine Lesbe, eine Fummeltrine und ein »richtiger Mann« gemeinsam an – was an sich schon eine beeindruckende Leistung war.
    Bis zum Nachmittag hatten die meisten Zuschauer ihre Hemden und T-Shirts ausgezogen, so daß auf den Tribünen ein satter Mahagoniton vorherrschte. Das Bier floß so reichlich, daß kaum einer der Versuchung widerstehen konnte, bei den Texas Mustangs mitzuklatschen, die als »einzige schwule Country & Western-Band im Lone Star State« angekündigt wurde.
    »Mir gefällt so was«, sagte Michael zu Bill. »Die Leute sind entspannt, und das Affektiertsein fällt schwerer.«
    »Schon«, sagte Bill, »aber wart mal bis heute abend.«
    »Bis zur Tanzerei, meinst du?«
    Bill nickte ein bißchen zu selbstgefällig. »Wenn sie sich erst mal den Staub abwaschen, kommen überall wieder die Discohäschen zum Vorschein.«
    Michael weigerte sich, ihm recht zu geben.

Arzt, heile dich selbst!
    Frannies Fassungslosigkeit fand ihre Entsprechung im Gesicht des hübschen blonden Arztes, der sie in seiner Praxis auf dem B-Deck der Sagafjord empfing.
    »Mrs. Halcyon! Mein Gott!«
    Frannie lächelte und reichte ihm die Hand. »Dr. Fielding.«
    »Das freut mich aber«, sagte der Doktor. »Ich hatte keine Ahnung, daß Sie an Bord sind. Diesmal bin ich nämlich die Passagierliste nicht durchgegangen, und … na, es ist schon eine Weile her,

Weitere Kostenlose Bücher