Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
wiederholte Claire. In ihren Augen blitzte etwas Schelmisches auf. »Hört sich ja sehr nach Grannie an.«
Frannie zupfte nervös an einer Haarsträhne über dem Ohr. »Na ja … ich … äh … fände das gar nicht mal schlecht. Sie kommen mir schon wie meine eigenen vor.«
»Mhmm«, sagte Claire. Das Schelmische war noch da.
»Tja«, rief Frannie und wandte sich wieder den Zwillingen zu, »jetzt haben wir die Wale gesehen, und jetzt ist es Zeit für ein kleines Nickerchen, meint ihr nicht auch?«
Die Kinder protestierten stöhnend.
Als Frannie sie an die Hand nahm und mit ihnen wegging, zwinkerte Claire ihr verschwörerisch zu. »Bis nachher im Garden, Liebes.«
Das »Garden« war die Garden Lounge, eine elegante Bar auf dem Verandadeck, wo eine Gruppe namens San José Trio dezente Musik machte. Frannie und Claire zogen sich täglich dorthin zurück und schwelgten in hübschen, altmodischen Interpretationen von Melodien wie »Over the Rainbow« oder »Londonderry Air«.
»Wo ist Jimbo?« fragte Frannie, als ihre Mai Tais serviert wurden. Claires Mann war sonst fast immer dabei. Wegen seiner liebevollen Aufmerksamkeit gegenüber Claire fühlte sich Frannie manchmal reichlich einsam.
Claire zwinkerte theatralisch. »In dem verfluchten Kasino, wo sonst? Ich hab mir schon gedacht, daß er früher oder später Hummeln im Hintern kriegt. Ich hab ihm gesagt, er soll ruhig nach Herzenslust spielen … und ich würd mir einen netten Gigolo angeln.«
Frannie lächelte. »Es gibt hier doch keine …?«
»Und ob es welche gibt, Liebes! Sie heißen natürlich anders, aber die Jungs von der Besatzung wissen auch so, daß man von ihnen … na ja, sagen wir mal erwartet, daß sie mit den alten Weibern tanzen. Ich hab bei meinem letzten Versuch auch einen Treffer gelandet!«
Frannie lachte. »Aber weiter geht das doch wohl nicht, oder?«
»Haben Sie denn Lust auf mehr?« Claire brüllte vor Lachen. »Vergessen Sie’s, Liebes. Die meisten von denen sind schwul. Der Knabe, der die Jazzgymnastik macht, ist mit dem Steptänzer liiert, und der Zauberer hat nur Augen für den hübschen Sommelier. Und das ist nur die Besatzung! Von den Passagieren will ich gar nicht erst reden, Liebes. Diese Mrs. Clinton zum Beispiel … die Diabetikerin, die in Begleitung reisen muß, damit sie nicht zuviel Zucker zu sich nimmt? Pah! Von wegen Begleiterin. Üppig, sag ich nur, üppig. Der Klatsch ist auf diesem Kasten fast noch besser als das Essen. Wunderbar! Ich bin süchtig nach Kreuzfahrten. Obwohl sie auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Es geht weniger glanzvoll zu heutzutage. Die wirklich Reichen fahren nicht mehr auf solchen Pötten. Aber es gibt nichts Schöneres, als auf See zu sein, Liebes … nichts! Mein Gott, sehen Sie sich nur den Nebel um den Berg da oben an!«
Frannie schaute bereits. Edgar hätte das gefallen, dachte sie. Auf Urlaubsreisen in die Tropen war er immer ein schrecklicher Brummbär – und das liebenswürdigste Wesen, wenn es klare, kalte Luft und grauen Himmel gab.
Frannie stellte ihren Mai Tai ab und lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, Claire. Mein Timing ist mal wieder schauderhaft.«
»Liebes, haben Sie irgendwas …?«
Die Matriarchin legte sachte die Hand auf ihren Bauch. »Nur eine leichte … Übelkeit.«
»O Gott, Sie sind wirklich ein wenig grün. Und ich schwätze Ihnen hier die Ohren voll.« Claire sah auf die Uhr. »Sie haben Glück. Der Doktor hat noch Sprechstunde. Sie sollten sich mal etwas Dramamine geben lassen, Liebes. Er ist unten im B-Deck gleich neben dem Aufzug.«
Frannie stand auf und bedankte sich. »Wissen Sie seinen Namen?«
»Fielding«, erwiderte Claire. »Sie können ihn gar nicht verwechseln. Er ist ein tolles Mannsbild«
Kleider machen Cowboys
Nach Reno zu urteilen war die Ziffer 6 endgültig zum Synonym für billige Motels geworden. Neben dem originalen Motel 6 (wo man vor langer Zeit tatsächlich sechs Dollar die Nacht verlangt hatte) standen für Michael und Bill noch das Western 6 Motel (gleich hinter einem Danny’s) und das 6 Gun Motel (neben den Nevada State Fairgrounds) zur Wahl.
Sie einigten sich auf das 6 Gun, weil Michael meinte, daß sie das Cowboy-Motto, unter dem ihr Wochenende stand, voll ausreizen sollten. Er wurde nicht enttäuscht. Auf den Nachtschränkchen des Motels fand er aufrecht stehende Pistolen vor, über denen sich Lampenschirme wölbten. Außerdem hing in der Lobby ein monströser Schaumgummicowboyhut an der Wand.
»Ach,
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