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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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mußte sie daran denken, warum sie von dem schmuddeligen, schlecht angezogenen Phantom, das sich im Golden Gate Park um ihren Wolfshund gekümmert hatte, so beeindruckt gewesen war. Luke verhielt sich zu Kindern genauso wie zu Tieren – als einer, der sich ihnen verbunden fühlte und ihre Empfindungen respektierte.
    Dem kleinen Mädchen war das schon längst klar. »Mr. Starr«, zwitscherte es und zog ihn am Arm. »Fahren Sie Flugboot mit uns. Bitte. Fahren Sie Flugboot mit uns.«
    Prue lächelte. »Du hast ihnen von unserem Ausflug mit dem Wasserflugzeug erzählt.«
    Luke schaute nicht zu ihr hoch. »Die beiden begreifen schnell.«
    »Sie sprechen so gut Englisch«, bemerkte Prue. »Für Vietnamesen, meine ich.«
    Luke zog den Reißverschluß am Parka des kleinen Jungen zu. »Sie sind Flüchtlinge. Vielleicht sind sie von Amerikanern aufgezogen worden … keine Ahnung.« Seine Stimme hatte eine leicht sarkastische Note, die ihr zu verstehen gab, daß sie sich um ihren eigenen Kram kümmern sollte. Sie kam sich plötzlich vor, als wäre sie in ein privates Gespräch geplatzt.
    Der kleine Junge fiel in das Geschrei ein: »Flugboot! Ja! Fahren Sie Flugboot mit uns!«
    »Edgar … nicht jetzt!«
    Eine kleine Unterlippe schob sich vor. »Sie haben es versprochen.«
    »Er heißt Edgar?«
    Luke beachtete sie nicht.
    »Frannies Mann hieß Edgar. Glaubst du, daß sie ihm den Namen gegeben hat?«
    »Prue, würdest du bitte mal die Klappe halten! Ich hab mit den zwei Kindern schon genug zu tun!« Sein heftiger Ausbruch traf sie völlig unvorbereitet, doch dann sah sie, daß die Kinder wirklich verstört waren. Sie quengelten leise – nicht in aufsässiger Weise, sondern so, als fühlten sie sich hintergangen.
    »Luke«, sagte sie behutsam, »wenn du ihnen einen Ausflug mit dem Wasserflugzeug versprochen hast … mir würd es nichts ausmachen, noch mal zu fliegen. Ehrlich.«
    Luke stand auf. Er war gründlich verärgert. Seine Halsschlagader hatte zu pochen begonnen. »Ich hab ihnen überhaupt nichts versprochen«, murmelte er. »Komm, wir haben seit dem Frühstück nichts gegessen.«
    Prue bemühte sich um einen beschwichtigenden Ton. »Ja, ein bißchen was zu essen täte uns allen ganz gut.« Sie lächelte die Waisenkinder an. »Ich wette, hier in Alaska gibt es leckere Eiscreme. Sollen wir mal nachsehen?«
    Sie blickten mit nassen Augen zu ihr hoch – traurige runde Gesichter, umrahmt von Pelz – und faßten dann nach ihren Händen.
    Luke ging eingeschnappt vor ihnen her.
     
    Seine Stimmung hatte sich beträchtlich gebessert, als sie ins Restaurant kamen, einen billigen Kiefernholz- und Resopal-Laden neben der Kirche.
    »Der falsche Hase schmeckt nicht schlecht«, sagte er. »Wie ist dein Salat?« Es war ein reichlich lahmer Entschuldigungsversuch, aber immerhin ein Versuch.
    Prue beschloß, ihn anzulächeln. »Grauenhaft. Aber das geschieht mir ganz recht. Warum mußte ich auch in Alaska Salat bestellen?« Sie wandte sich den Kindern zu. »Ihr habt eure Hotdogs ja rasend schnell verputzt.«
    Die Waisenkinder strahlten sie mit senfverschmierten Gesichtern an. Sie staunte, wie rasch Kinder eine schmerzliche Situation vergessen konnten. Dann griff sie über den Tisch und streichelte Lukes Hand. »Meinst du, ich kann es wagen, mal für kleine Mädchen zu verschwinden?«
    »Mach nur«, sagte er augenzwinkernd. »Die Erfahrung wird dir guttun.«
    Die Toilette roch penetrant nach Desinfektionsmitteln, war aber überraschend sauber. Prue blieb fünf Minuten, verrichtete ihr Geschäft und dankte den übersinnlichen Mächten, daß ihr erster bedeutender Konflikt mit Luke noch vor der Explosion verpufft war.
    Als sie ins Lokal zurückkam, war ihr Tisch leer. Luke und die Waisenkinder waren verschwunden.
    »Entschuldigen Sie«, sprach sie den Mann hinter dem Tresen an. »Sind denn mein Freund und die Kinder vielleicht …«
    »Sie haben bezahlt und sind gegangen«, sagte der Mann.
    »Was? Sie sind gegangen? Wo wollten sie hin? Haben sie was gesagt?«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich hab gedacht, Sie wissen Bescheid.«

Panik in Sitka
    Als der Mann hinter dem Tresen die Bestürzung in Prues Gesicht sah, rang er sich ein freundliches Lächeln ab. »Vielleicht denkt er, daß Sie … einfach nachkommen.«
    »Er hat gar nichts gesagt?«
    »Nein, Ma’am. Er hat gezahlt und ist gegangen.«
    Prue schaute ihn entsetzt an und drehte sich noch einmal zu dem leeren Tisch um. Sie sah, daß Luke Trinkgeld dagelassen hatte. Was, in

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