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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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drei Teufels Namen, ging hier vor? War das seine Art, sie zu bestrafen? Die kleine Kabbelei um den Ausflug mit dem Wasserflugzeug rechtfertigte eine derart kindische Nummer bestimmt nicht.
    Und wie kam er dazu, die Waisenkinder hineinzuziehen in dieses … dieses … was auch immer es war? Prue war wütend und wegen der Demütigung ganz rot im Gesicht. Er würde ihr schon eine sehr triftige Erklärung bieten müssen.
    Sie verließ das Restaurant und schaute die Straße in beide Richtungen hinunter. Die drei waren nirgends zu sehen. Zu ihrer Rechten bot die kleine grau-weiße russische Holzkirche einem nicht abreißenden Strom von Touristen Zuflucht. Vielleicht war es das. Vielleicht waren die Kinder unruhig geworden, während sie auf der Toilette war, und Luke hatte sie zur nächsten logischen Station ihres Rundgangs durch Sitka geführt.
    Vielleicht hatte er erwartet, daß sie von selbst darauf kam.
    Sie betrat die Kirche, spendete zwei Dollar, blieb hinten stehen und blickte sich forschend um. Sie erkannte mehrere Leute von der Sagafjord, darunter die laute Dunkelhaarige, die immer mit Frannie Halcyon zusammensteckte, doch Luke und die Waisenkinder waren nicht da.
    Als sie wieder draußen in der Sonne stand, ließ sie sich ihre Möglichkeiten durch den Kopf gehen. Falls Luke es tatsächlich darauf anlegte, ihr so etwas wie eine Lektion zu erteilen, dann konnte er ihr gestohlen bleiben. Wenn es sein mußte, konnte sie sich die Stadt auch allein ansehen. Andererseits, was war, wenn ihn etwas Unvorhergesehenes zum Verlassen des Restaurants gezwungen hatte?
    Aber was konnte in den fünf Minuten schon passiert sein?
    Sie ging rasch zum Restaurant zurück und sah sich durch das verschmierte Fenster noch einmal darin um.
    Nichts.
    Bleib ruhig, ermahnte sie sich. Es gibt eine Erklärung dafür. Falls er vorgehabt hatte, sie aus der Fassung zu bringen, dann war es ihm vortrefflich gelungen. Doch das würde sie ihn nie merken lassen. Sie würde nicht zulassen, daß er sie weinen sah.
    Sie änderte den Kurs und ging in Richtung Schiff. Unterwegs schaute sie besorgt die Querstraßen hinunter. Als sie drei Straßen von der Kirche weg war, kam sie an einer kleinen Gasse vorbei, in der ihr ein kleines pelziges Wesen auffiel.
    Es war eines der Waisenkinder. Das kleine Mädchen.
    Es stand am Ende der schmalen Gasse vor einem verwitterten Holzhaus – ein ausnehmend hübsches Bild.
    »He!« rief Prue.
    Das kleine Mädchen blieb einen Augenblick lang regungslos und schaute nur verwirrt; dann hob es zaghaft die Hand und winkte.
    Ihr Name, dachte Prue. Wie hieß sie noch!
    Als es ihr einfiel, schrie sie noch einmal: »Anna! Ich bin’s! Ist Mr. Starr auch da?«
    Die Antwort stellte sich in Form eines großen Schattens ein … und dann in Gestalt von Luke selbst, der von links heranstürzte und das verblüffte Kind schnappte.
    »Luke! Um Himmels willen, was machst du denn?«
    Sein Kopf bewegte sich so ruckartig wie der eines Roboters, als er sich umdrehte und in ihr entsetztes Gesicht blickte. Die unmenschliche Wut in seinem Blick ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Wer war dieser Mann? O Gott, wer war er?
    Sie rannte schreiend auf ihn zu: »Was hab ich getan, Luke? Sag mir, was ich getan habe!«
    Aber er war schon wieder verschwunden und rannte mit Anna unter dem Arm durch eine andere Gasse davon.
    Prue hetzte mit wild klopfendem Herzen hinterher. Sie sah, wie Luke ein unbebautes Grundstück überquerte und dann in einem Dickicht aus Unkraut und wildwachsenden Blumen verschwand. Wo war das andere Waisenkind eigentlich? Was hatte er mit Edgar gemacht?
    Als sie ihm folgen wollte, blieb sie mit dem Absatz an einer rostigen Bettfeder hängen und wurde mit einem heftigen Ruck zu Boden gerissen. Sie lag ungläubig da und würgte an ihren Schluchzern, während das Blut aus dem Knöchel strömte.
    »LUKE«, schrie sie. »BITTE, LUKE, ICH BLUTE … BITTE … BITTE …«
    Doch es war kein Laut zu hören.
    Noch platt auf dem Bauch liegend, riß Prue unter einem ausrangierten Kühlschrank einen ölverschmierten Lappen hervor. Nachdem sie die Fliegen verscheucht hatte, die sich dort bereits versammelt hatten, preßte sie den Lappen hektisch gegen ihren Knöchel.
    Sie drückte sich in eine sitzende Stellung hoch und lehnte sich an den Kühlschrank. Als ihr der Horror ihrer Situation bewußt wurde, bekam sie glasige Augen:
    Ein Mann ohne Nachnamen, ein Mann, den sie geliebt hatte, ein Mann, der den Ausweis von Pater Paddy Starr bei sich trug,

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