Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
nach völlig normal, daß Ihre Mutter ihm die Kinder anvertraut hat. Er hatte gute Manieren … sah gut aus … ein eleganter Mann.« Sie schüttelte betrübt den Kopf. Ihre Augen waren immer noch rot vom Weinen. »Ich kann’s einfach nicht verstehen.«
    Mary Ann setzte sich neben Prue. »Wissen Sie«, sagte sie sanft, »es ist ja nicht so, daß wir Ihnen nicht glauben.« (Das war natürlich nicht ganz wahr; DeDe wirkte extrem mißtrauisch.) »Es ist nur so, daß es uns sehr helfen würde, wenn Sie sich an Einzelheiten erinnern könnten … egal, welche Details es auch sind.«
    »Na ja … er war Ende Vierzig, würde ich sagen. Er war gut angezogen.«
    »Wie gut?« fragte DeDe.
    »Ach, Sie wissen schon. Blazer, Seidenkrawatten … so in der Richtung. Sehr dezent.«
    »Haben Sie vielleicht Fotos von ihm?« fragte Mary Ann.
    »Der Schiffsfotograf hat ein oder zwei gemacht.«
    Mary Ann schaute aufgeregt zu DeDe und wandte sich dann wieder an Prue: »Könnten wir die sehen?«
    »Ich hab keine gekauft«, sagte Prue. »Sie sind noch auf dem Schiff.«
    DeDe sah aus, als wollte sie die Kolumnistin im nächsten Moment ohrfeigen. »Und an seinem Verhalten ist Ihnen nichts Ungewöhnliches aufgefallen? Gar nichts?«
    Prue schüttelte den Kopf. »Erst, als wir nach Juneau gekommen sind. Da hat er angefangen, sich komisch zu verhalten.«
    »Was heißt (komisch)?«
    »Ich weiß nicht … launisch, zerstreut. Als wir mit einem Wasserflugzeug über die Gletscher geflogen sind, hat er kein Wort mit mir geredet. Er hat die ganze Zeit mit dem Piloten gequatscht.«
    »Über was hat er gequatscht?« fragte DeDe beinahe scharf.
    »Er hat immer wieder ›per pedes‹ gesagt«, sagte Prue.
    Mary Ann bekam große Augen. »Vielleicht sind sie doch nicht mit dem Flugzeug weg!«
    »›Per pedes‹«, wiederholte DeDe. Sie ignorierte das Brainstorming ihrer Begleiterin und fragte: »Lateinisch?«
    Prue runzelte die Stirn. »Was?«
    »Er hat sicher ›per pedes‹ gesagt und nicht: ›Wie geht es?‹ oder so? Das klingt doch ganz ähnlich?«
    Prue schaute verwirrt drein. »Ich glaub schon. Ich hab gehört, wie der Pilot es wiederholt hat. Aber es war sehr laut im Flugzeug.«
    »Und das war alles?« fragte DeDe.
    »Was?«
    »Sonst nichts Auffälliges passiert?«
    »Nicht bis Sitka«, sagte Prue. In ihrem Gesicht zeichnete sich plötzlich blankes Entsetzen ab. »Nicht, bis er … sie mitgenommen hat … und …« Sie preßte die Hand vor den Mund und würgte an ihren Schluchzern.
    »Und was?« drängte DeDe.
    »Die … die Kaninchen.«
    DeDe explodierte. »Die Kaninchen?«
    »Hat Ihre Mutter Ihnen das nicht erzählt?« Prue starrte sie entgeistert an.
    »Nein.«
    »O Gott«, sagte die Kolumnistin.

Eine delikate Angelegenheit
    »Was für Kaninchen?« fragte DeDe.
    Prue schaute zur Seite. Ihre Unterlippe zitterte heftig. »Bevor er die Kinder mitgenommen hat, waren wir nicht weit von hier in einem Restaurant. Ich mußte mal für kleine Mädchen … und als ich zurückkam, war er verschwunden.«
    DeDe nickte ungeduldig. »Das hat Mutter uns schon erzählt.«
    »Jedenfalls«, fuhr die Kolumnistin fort, »hab ich in beiden Richtungen die Straße hinuntergeschaut …«
    »Und dann haben Sie Anna in einer kleinen Gasse entdeckt.« Mary Ann versuchte, die Geschichte zu beschleunigen, denn DeDe verlor zusehends die Geduld mit Prue.
    Prue nickte mit Leichenbittermiene. »Als ich gesehen hab, wie er sie davongeschleppt hat, hab ich mich auf das leere Grundstück gesetzt …«
    »Was?« donnerte DeDe.
    »Ich war verletzt. Ich bin hinter ihm hergelaufen, aber ich hab mich am Knöchel geschnitten.« Zum Beweis hob sie ihren Fuß. »Dann ist dieser Mann gekommen und hat mich angeschrien, weil er geglaubt hat, daß ich zu Lu … daß ich zu Mr. Starr gehöre. Ich hab ihm aber erklärt, daß ich …«
    »Moment mal! Was haben Sie grade gesagt?«
    Prue schaute sie haßerfüllt an. »Nichts.«
    »Und ob Sie was gesagt haben, verflucht noch mal! Ihnen hat ein ganz anderer Name auf der Zunge gelegen!«
    Mary Ann warf DeDe einen Blick zu und sagte ruhig: »Warum lassen wir sie nicht zu Ende erzählen?«
    Prue nahm das als ihr Stichwort, um fortzufahren. »Er hat mich also in seinen Garten gezerrt …«
    »Wer?«
    »Dieser Mann … der mit …«
    »Okay, okay.«
    »Er hatte Kaninchenställe dort … so Verschläge … und rundherum war alles voll Blut … und er hat mich gezwungen …« Sie sah aus, als würde es ihr gleich hochkommen. Sie preßte die Hand vor den Mund

Weitere Kostenlose Bücher