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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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sagt.«
    »Worüber?«
    DeDe seufzte. »Ich weiß nicht … es ist nur … na ja, irgendwas an ihrem geliebten Mr. Starr hat sie schließlich doch davon überzeugt, daß er durchgeknallt ist.«
    »Klar, das glaube ich auch«, sagte Mary Ann.
    »Nicht die Entführung, sondern was anderes.«
    »Oh.«
    »Sie hatte schon dazu angesetzt, aber dann hat sie nicht weitergeredet. Vermutlich wollte sie mir was ersparen. Aber das finden wir schon noch raus, was?« DeDes ironisches Lächeln wirkte herzerweichend tapfer.
    Mary Ann griff nach ihrer Hand und zwang sich, ihre Tränen zu unterdrücken. »Machen Sie’s nicht schlimmer, als es schon ist«, sagte sie.
    »Geht das überhaupt?« fragte DeDe.
    Das Taxi fuhr gerade über eine elegant geschwungene weiße Brücke, als der Fahrer ihre Aufmerksamkeit auf einen erloschenen Vulkan lenkte, der hinter einem Archipel aus kleinen Inseln majestätisch aufragte. Die Stadt lag direkt vor ihnen – sauber und kompakt wie Disneyland. Als Schauplatz eines unvorstellbar bedrohlichen Geschehens wirkte sie nicht sehr überzeugend.
    Mary Ann schaute auf die Uhr. Es war neun Uhr dreizehn. Dämmerung.
    DeDe besah sich den Hafen von Sitka. »Sieht ganz hübsch aus, was?«
    »Ja … ganz nett.«
    »Ich hab eine Scheißangst«, sagte DeDe.
    »Ich auch«, sagte Mary Ann.

Das Verhör
    DeDes erstes Treffen mit ihrer Mutter fand auf Mary Anns Vorschlag ohne sie statt. Mary Ann verbrachte die Zeit in ihrem Zimmer im Potlach House, machte ein Nickerchen und war im stillen erleichtert, daß sie dieser schmerzlichen Begegnung entgangen war.
    DeDe kam eine Stunde später wieder. Sie ließ sich in einen Sessel neben Mary Anns Bett fallen.
    Mary Ann setzte sich auf und rieb sich die Augen. »War’s hart?«
    DeDe nickte.
    »Wie geht’s ihr?«
    »Schon besser«, sagte DeDe seufzend. »Ich hab ihr eine Quaalude gegeben.«
    »Die Ärmste«, sagte Mary Ann.
    DeDe massierte sich mit den Fingerspitzen die Stirn. »Sie weiß noch weniger als wir. Manchmal kann ich’s gar nicht fassen, wie sehr sie auf der Leitung steht.«
    »Was ist mit Prue?«
    DeDe zupfte zerstreut an der Sessellehne herum. »Sie kommt als nächste dran. Ich wollte sie nicht ausquetschen, solange Mutter dabei war. Ich dachte, das würde sie zu sehr einschüchtern. Es wird so schon schwer genug, die Wahrheit rauszufinden.«
    »Wie gut kennen Sie sie?« fragte Mary Ann.
    »Nicht besonders.« DeDe lachte bitter. »Ich hab ihr mal was gebeichtet, aber das ist auch alles.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie hat ihre Mittagsrunden, die sie ›Forum‹ nennt«, erklärte DeDe. »Sehr imposant. Man sitzt mit einem Ehrengast zusammen und entblößt sein Innenleben. Es ist so eine Art Bewußtseinsentwicklung für soziale Aufsteigerinnen. Prätentiös und peinlich. Ich war dabei, als es um Vergewaltigung ging. Ein (persönliches Plauderstündchen zum Thema Vergewaltigung) hat sie das genannt.« DeDe schüttelte angewidert den Kopf. »Mein Gott.«
    »Aber … Sie haben gesagt, Sie hätten ihr was gebeichtet.«
    »Ich hab erzählt, daß man mich vergewaltigt hat.«
    »Wann war das?«
    »Ach … vor fünf Jahren.«
    »Ich hab gar nicht gewußt, daß Sie schon vor Jonestown vergewaltigt worden sind.«
    »Bin ich auch nicht«, sagte DeDe. »Ich hab das bloß so erzählt.«
    »Warum?«
    DeDe zuckte mit den Schultern. »Wegen des Gruppendrucks vermutlich. Außerdem war ich kurz davor mit Lionel im Bett, und da brauchte ich einen Sündenbock. Ganz schön widerlich, hm?«
    »War Lionel …?«
    »Ganz recht. Der Vater der Zwillinge.«
    »Der Botenjunge?« fragte Mary Ann.
    »Das war er damals. Mutter hat erzählt, daß ihm der Laden jetzt gehört. Und mittlerweile bin ich in Guyana von Prue Giroux’ verfluchtem Liebhaber tatsächlich vergewaltigt worden.«
    »Wir können aber nicht mit Gewißheit sagen, daß er es war«, hielt Mary Ann dagegen. Sie hatte bereits davor beschlossen, daß in dieser Krisensituation jemand den Advocatus Diaboli spielen mußte.
    »Kommen Sie«, sagte DeDe, »ich brauche jetzt Ihre Hilfe.«
     
    Sie fanden weniger heraus, als sie erhofft hatten.
    »Wie ich schon sagte«, beharrte Prue, »hat er bloß erzählt, daß er ein amerikanischer Börsenmakler ist, der in London lebt. Mein Gott, wir waren auf einer Kreuzfahrt. Da fragt man wirklich nicht viel mehr.«
    »Sean Starr«, wiederholte DeDe.
    Die Kolumnistin nickte, wich aber DeDes Blick aus. »Er war ganz verrückt nach den Kindern, und alle haben ihn gemocht. Da war es meiner Meinung

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