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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Sekunden, bis er sagte: »Ich dachte, du willst Gesellschaft.«
    »Na ja … das hab ich zwar gesagt, aber …«
    »Du wolltest in Wirklichkeit das hier.«
    Obwohl die Bemerkung scherzhaft gemeint war, fühlte sie sich unbehaglich.
    »He«, sagte sie leise – Mrs. Madrigal sollte auf keinen Fall etwas hören. »Wenn du mit einer lebenden Toten nach Golgatha rauf willst, bist du jederzeit willkommen.« Sie griff hinter sich und zog ihn freundschaftlich am Schwanz. »Alles klar?«
    »Wie ist die Kleiderordnung?«
    »Salopp.« Sie stand auf. »Gib mir ’ne halbe Stunde und warte auf mich vor dem Haus. Kreppsohlen wären vielleicht nicht schlecht. Falls von dem Kraut noch was da ist, könntest du uns einen Joint drehen. Alles klar?«
    »Ist gut. Aber wie kommen wir hin?«
    »Mein Team holt uns ab.«
    »Natürlich. Dein Team.«
    »Sonst noch was?«
    »Ja. Wo ist meine Hose?«
    »Im Schrank. Du hast sie selber reingehängt. Weißt du nicht mehr?«
    »Ach ja.« Er stand auf und steuerte das Badezimmer an. Ärgerte er sich über irgendwas? Sogar sein perfekter kleiner Hintern wirkte angespannt.
    Auf der Fahrt zum Mount Davidson schwieg er die meiste Zeit, und sie fachsimpelte mit ihrem Kameramann. Sie parkten am Myra Way – näher kam man mit dem Wagen an das Betonkreuz nicht heran – und gingen auf einem schlüpfrigen Pfad zwischen Eukalyptusbäumen hinauf zum Gipfel.
    Am Fuß des gewaltigen Monuments hatten sich schon ein paar Dutzend Leute eingefunden. Im perlgrauen Schimmer der Morgendämmerung wirkten ihre Gesichter so bleich und graugrün wie das junge Eukalyptuslaub. Mary Ann betrachtete andächtig das prachtvolle Panorama der Stadt und den rötlichen Schein, der im Osten über dem Mount Diablo den Himmel zu verfärben begann.
    Sie berührte Simon am Arm. »Ist es nicht traumhaft?«
    »Traumhaft«, wiederholte er. Es klang nicht sehr überzeugend.
    Sie musterte sein ausdrucksloses Gesicht. »Du bist ja morgens genauso schlecht gelaunt wie ich.«
    »An deiner Stelle würde ich nicht …« Er unterbrach sich.
    »Würdest du was nicht?«
    »Ich würde nicht …«
    »Liebste, Sie wollen einfach nicht hören. Ich hab doch gesagt, daß Sie nicht kommen müssen. « Es war Pater Paddy, der wie gewohnt aus dem Nichts aufzutauchen schien.
    »Oh … hallo«, rief sie überrascht.
    »Sie sind so verdammt nobel, Mary Ann!« Der Priester packte Simon am Arm. »Seit Wochen sage ich diesem lieben, reizenden Mädchen, daß ich diesen Gig ohne weiteres auch allein erledigen kann, aber sie muß sicheinfach aufopfern.« Er drückte ihr einen Schmatz auf die Wange. »Stimmt’s, Liebste?« Dann, mit einem Blick auf Simon: »Ich kenne diesen wackeren Menschen. Vom Bildschirm. Sie sind der desertierte Lieutenant, nicht?«
    »So ungefähr«, war die eher reservierte Antwort.
    »Tja, Sie haben unsere kleine Stadt im Sturm erobert.«
    Simon reagierte mit einem dünnen, eisigen Lächeln.
    Pater Paddy wandte sich wieder an Mary Ann. »Es gibt Kaffee und Doughnuts, wenn Sie ’ne Stärkung brauchen, und … ob … ist Matthew heute unser Kameramann?«
    »Ja.«
    »Fabelhaft. Sagen Sie ihm bitte, er soll mich mit der Froschperspektive verschonen.«
    »Wie bitte?«
    »Er soll mich nicht von unten aufnehmen, Liebste. Da sieht man nur Doppelkinn, und das macht den kleinen Kindern angst. Alles klar?«
    »Ist gut.«
    »Sie sind ein Engel«, sagte der Priester und mischte sich wieder unter seine Schäfchen.
    Sie warf Simon einen unsicheren Blick zu. »Ich hätte dich vielleicht vor ihm warnen sollen.«
    Er gab keine Antwort.
    »Hast du was?« fragte sie.
    Er zupfte ein Blatt von einem Strauch und drehte es hin und her. »Du hast das arrangiert, nicht?«
    »Was arrangiert?«
    »Diesen Morgen. Du hast dich extra einteilen lassen für diesen … Gig, wie er es nennt. Damit du mit mir Zusammensein kannst.«
    »Na ja … ich würde sagen, es hat sich so ergeben. Aber geplant hab ich es nicht.«
    Er sah sie stirnrunzelnd an.
    »Und wenn?« meinte sie. »Wär das so schlimm?«
    »Wie lange schon? Zwei Wochen? Drei? Ich stehe schon eine ganze Zeit in deinem kleinen Terminkalender.«
    Sie starrte ihn an und spürte, daß sie einen trockenen Hals bekam.
    »Sag mir, ob ich damit schief liege«, fügte er hinzu.
    »Also … gefreut hat es mich schon, als mir klar wurde, daß wir Zusammensein können … wenn du das meinst. Was ist schon dabei? Aber ich konnte unmöglich wissen, daß Brian von Theresa übers Wochenende nach Hillsborough eingeladen wird.«
    »Ihr

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