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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Es war schon spät. Ich hatte ein Pfeifchen Sinsemilla geraucht und fühlte mich fabelhaft. Neben mir waren zwei Knaben, die sich gegenseitig einen abkauten, und ein anderer kaute mir einen ab, und ich hatte bei jemand das Gesicht zwischen den Arschbacken, und es war mit Sicherheit der triumphalste Augenblick meines Lebens.«
    Michael schmunzelte. »Ich glaube, das kann ich Ihnen nachfühlen.«
    »Das glaube ich gern. Also … und mittendrin höre ich auf einmal … ›Turn Away‹!«
    »Den Song von Bix Cross?«
    »Ja. Genau. Und was glauben Sie, wo der aufgenommen wurde?«
    »Wo?«
    »Im übernächsten Dorf von hier. Chipping Camden. Da gibt es ein Aufnahmestudio in einer umgebauten Scheune.«
    Michael nickte. »Das ist … wirklich interessant.«
    »Aber begreifen Sie denn nicht … ich war dabei. Ich war dabei, als er die Platte aufgenommen hat, und dann ist mir dieser blöde Song um die halbe Welt gefolgt bis in diesen Raum, in dem sich lauter traumhafte Männer tummelten. Mir sind fast die Tränen gekommen. Ich habe geweint. Es war ein so ergreifender Augenblick, Michael. Ich habe einfach … aufgegeben. So, habe ich mir gesagt, jetzt habt ihr mich soweit. Ich gebe auf. Es war eine solche Befreiung.«
    »Ja«, sagte Michael.
    »Sie finden wahrscheinlich, daß es sich idiotisch anhört.«
    »Nein. Ich kann mich auch an so einen Augenblick erinnern.«
    Lord Roughton lächelte ihn an. »Man lernt in Orgienräumen eine ganze Menge. Kameradschaft. Geduld. Humor. Mit Fremden zärtlich und generös umzugehen. Es ist nicht so verderbt, wie immer behauptet wird.« Er legte den Kopf schräg und überlegte. »Nur lauter verängstigte Kinder, die im Dunkeln lieb zueinander sind.«
    Michael nippte an seinem Tee.
    »Leider«, sagte Lord Roughton, »ist die Ledertour hierzulande ziemlich erbärmlich.«
    Michael schaute hoch. »Ich bin im Coleherne gewesen.«
    »O Goott! «
    »So schlecht ist es gar nicht«, sagte Michael und gab sich Mühe, höflich zu sein.
    »Doch! Aber natürlich! Alle diese dräuenden … Uriah Heeps!«
    »Na ja …«
    »Kein Vergleich mit Ihren herrlichen San-Francisco-Brutalos in ihren schwarzen Pritschenwagen.«
    Michael amüsierte sich über soviel Schwärmerei. »Sie transportieren Zimmerlinden mit den Kisten, müssen Sie wissen.«
    Der Lord sah ihn verwirrt an. »Wie bitte? Ach … Sie machen sich schon wieder lustig. Nur zu. Ich habe die Sache sehr gründlich studiert. Ich weiß, wovon ich rede.«
    »Ich teile Ihre Meinung«, sagte Michael mit einem Lächeln. »Glauben Sie mir.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich freue mich über … Ihre Unschuld.«
    Lord Roughton gab sich eingeschnappt. »Ich zeige Ihnen meine Tittenringe, und Sie nennen mich unschuldig. Was soll ich davon halten, Sir?«
    Michael lachte. »Wir haben alle etwas, von dem wir nichts verstehen.«
    »Ganz recht.« Seine Lordschaft zog eine Augenbraue hoch. »Und was ist es bei Ihnen?«
    Michael überlegte. »Landsitze, in erster Linie.«
    Sein Gastgeber lachte jovial. »Ich nehme an, Mona hat Sie herumgeführt?«
    »Tja, nein, ich hab die reguläre Besichtigungstour gemacht.«
    »Ach je, das müssen wir ja auf der Stelle nachholen. Wo ist Ihr Freund? Vielleicht möchte er sich uns anschließen?«
    Ja, wo war Wilfred eigentlich? »Das würde er sicher gerne, aber … sagen Sie, kann ich ganz offen sein?«
    Lord Roughton hob mahnend den Zeigefinger. »Nur, wenn Sie mich mit Vornamen anreden. Ich heiße Teddy.«
    »Schön«, sagte Michael lächelnd. »Teddy.«
    »Gut. Schießen Sie los.«
    »Na ja … ich habe keine Ahnung, was Mona hier macht.«
    Teddy furchte die Stirn. Dann lachte er glucksend. »Sie nehmen mich auf den Arm, wie?«
    »Nein. Sie hat es mir noch nicht verraten.«
    Der Lord schnappte nach Luft wie ein Goldfisch auf dem Trockenen. »Nein, dieses dumme Mädchen … so ein dummes, dummes Mädchen.«

Heiliger Bimbam
    Als sie um vier Uhr früh vom Piepen ihrer Armbanduhr aufwachte, stellte Mary Ann fest, daß sie unter Simons linkem Arm eingezwängt war. Vorsichtig rutschte sie darunter hervor, setzte sich auf die Bettkante und rieb sich, beobachtet von Christopher Isherwood, die Augen.
    »Wo willst du hin?« flüsterte Simon.
    Seine Frage kam unerwartet. »Nach oben. Mich fertig machen.«
    »Ist schon Ostern?«
    »Fürchte, ja.« Ihre Stimme klang heiser und belegt.
    Er stemmte sich auf die Ellbogen hoch. »Dann … werde ich unten im Garten auf dich warten.«
    Sie drückte sein Knie. »Du mußt nicht mit.«
    Es dauerte einige

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