Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
… wo willst du hin?«
»Nach Hause. Oder was man so nennt.«
»Aber … die Andacht …«
»Vielen Dank, aber ich weiß schon, was das wird.«
»Nein, ich meinte … du hast doch kein Auto, und ich kann hier nicht weg, bis …«
»Dann nehm ich mir ein Taxi.« Er zwängte sich durchs Gebüsch und steuerte den Weg an.
»Simon, geh bitte nicht so …«
Aber er war schon verschwunden.
Bloß keine Hemmungen
Es war schon nach Mittag, als Mona in die Küche zurückkam und dort auf Teddy stieß, der gerade sein Frühstücksgeschirr abwusch. »Dein Freund ist sehr attraktiv«, sagte er.
»Welcher denn?« fragte sie, um es ihm nicht so leicht zu machen.
»Na ja … der kleine Dunkelhäutige ist ganz niedlich, aber …«
»Schon gut. Verschon mich damit.«
»Ich habe mit den beiden meine kleine Cook’s Tour durch das Anwesen gemacht. Hundefriedhof und so … alles inklusive. Ich glaube, sie waren ziemlich begeistert. Ich muß sagen, es war ganz reizend … alles mal durch ihre Augen zu sehen.« Er bearbeitete einen eiverkrusteten Teller mit dem nassen Spüllappen. »Ich finde, du solltest mit deinem Freund reden, Mona.«
»Warum? Was war denn?«
»Na ja.«
»Du hast ihm doch nichts von heute abend gesagt?«
»Tja … ich wundere mich eigentlich, daß du es ihm noch nicht erzählt hast.«
Sie arbeitete noch an einer Antwort, als sie draußen auf dem Hof das knirschende Geräusch von Autoreifen hörten. Teddy lugte durch das bleiverglaste Fenster über der Spüle, und die Augen quollen ihm vor Entsetzen heraus. »Ach, du Scheiße!«
»Wer ist es?«
»Die Käufer. Beziehungsweise seine Frau.«
»Ich dachte, die sollten erst …«
»Sollten sie auch. Ich nehme an, sie ist hier, weil sie noch ein paar Polaroidfotos machen will.«
»Wozu denn?«
»Was weiß ich. Vielleicht für ihren Innenarchitekten. Es ist so gräßlich, ich mag gar nicht dran denken. Da, sieh dir das an. Ich hatte recht. Sie hat ihre verdammte Kamera dabei.« Hastig trocknete er sich die Hände an dem feuchten Lappen ab. »Sei ein Engel, ja? Ich kümmere mich um sie, aber in zehn Minuten kommst du und rettest mich vor ihr.«
Als er gegangen war, stieg sie die Treppe neben der Bibliothek hinauf und ging in ihr Zimmer, um ihr Make-up nachzubessern. Ihre kastanienbraunen Haarwurzeln waren schon wieder deutlich zu sehen und erinnerten sie daran, daß ihr Trip sich dem Ende näherte. Wenn sie ihr Haar noch ein oder zwei Wochen wachsen ließ, ohne nachzufärben, konnte sie als Punkerin gehen, und keiner würde was merken.
Sie wartete die vereinbarten zehn Minuten und schlenderte dann mit einer schlecht vorbereiteten Lüge in die große Halle. »Entschuldige die Störung, Teddy, aber Mr. Harris möchte dich sprechen. Am Telefon.«
Teddy und die Frau des Käufers standen an dem hohen Fenster mit Blick auf die Kapelle. Die Frau war eine robuste Blondine und trug einen blauen Blazer. »Mr. Harris?« sagte Teddy und drehte sich verwundert zu Mona um.
»Du weißt schon … der Gärtner.«
»Oh. Natürlich. Mr. Hargis. Schön. Tja, ich nehme an, er wartet auf Instruktionen. Fühl dich bitte ganz wie zu Hause, Fabia. Oh … Fabia, das ist Mona. Ich bin sicher, daß ihr beiden euch gut versteht.« Er setzte sich rückwärts ab und verließ beinahe im Laufschritt die Halle.
Die Frau verfolgte seinen Abgang mit einem hämischen Grinsen.
Dann wandte sie sich an Mona. »Ist ja sehr eigenartig.«
»Äh … was?«
»Sagten Sie nicht, Mr. Hargis hat angerufen?«
»Ja.«
»Warum habe ich dann das Telefon nicht klingeln hören?«
»Na ja … ich nehme an … tja, ich weiß auch nicht. Komisch, nicht?«
»Ja. Sehr.«
»Jedenfalls … wenn ich Ihnen vielleicht etwas zeigen kann …?«
Die Frau machte große Augen. »Wie bitte?«
»Ich meinte … im Haus oder so.«
Das Lachen der Frau kam so unverhofft wie das Hupen eines Sattelschleppers in einer Haarnadelkurve. »Meine liebe Moira … ich habe hier schon Weihnachten gefeiert, als ich acht war.«
»Oh … verstehe.«
Die Frau hob ihre Polaroidkamera und richtete sie auf die Musikantengalerie. Klick. Surr. Dann sah sie wieder Mona an. »Ich beobachte den traurigen Niedergang von Easley schon seit vielen Jahren.« Sie verschanzte sich hinter einem affektierten Lächeln, zog das Foto aus dem Auswurfschlitz und legte es mit spitzen Fingern auf den Fenstersims. »Er hat Ihnen kein bißchen von mir erzählt, wie?«
»Nein«, gab Mona ruhig zurück. »Kein bißchen.«
»Tja … das ist
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