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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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plötzlich, daß sie sich dumm angestellt hatte. »Ich hätte es ihm schon vor Wochen sagen sollen. Ich hab bloß gedacht, ich finde vielleicht einen Weg, um ihm die Peinlichkeit … ach, was weiß ich. Wenn ich ihm sage, was ich getan hab … weißt du … das mit dem Sperma und so …«
    »Dann sag ihm das eben nicht.«
    »Aber ich kann es ihn doch nicht noch mal durchmachen lassen. Ich bin sicher, daß er drauf besteht.«
    »Sag ihm doch, daß du unfruchtbar bist.«
    Mary Ann wies den Gedanken mit einem Stirnrunzeln von sich. Das würde ihre Ehe noch mehr gefährden als alles, was ihnen jetzt schon zu schaffen machte. Es war besser, bei der Wahrheit zu bleiben … oder auf ein Wunder zu warten.
    Als sie am Abend nach Hause kam, fand sie Brian in dem Häuschen auf dem Dach. Er trug die Baseballmütze mit der Aufschrift KAFKA und sah Three’s Company im Fernsehen. Sie hatte diese blöde Mütze, von der Brian in einer Anzeige auf einem Streichholzbriefchen gelesen und die er sich prompt bestellt hatte, schon immer gehaßt, doch jetzt war wohl kaum der richtige Augenblick, um es ihm zu sagen.
    »Ich hab uns Eye of the Swan mitgebracht«, sagte sie und hielt die Weinflasche hoch.
    Er sah über die Sofalehne nach hinten. »Oh … hallo. Prima. Gibt’s was zu feiern?«
    »Nö, einfach so.«
    »Auch gut.«
    Sie ging ans Fenster. »Der Regen hat aufgehört. Siehst du? Da drüben ist sogar ein bißchen blauer Himmel … Scheiße!«
    »Was ist?«
    »Ich hab die Gläser vergessen.«
    »Macht doch nichts.«
    »Ich lauf runter und …«
    »Mary Ann …« Er griff nach ihrer freien Hand. »Entspann dich, ja? Wir sind mit allem versorgt. Wir können aus der Flasche trinken.«
    »Es geht ganz schnell …«
    »Wir haben keine Zuschauer, Mary Ann. Das ist kein Dreh für Bay Window. «
    Ja, Gott sei Dank, dachte sie.
    Er zog sie zu sich her. Sie stellte die Flasche ab, ließ sich neben ihm auf das Sofa sinken und gab ihm einen langen Kuß. Dann lehnte sie sich zurück und sah ihm in seine langbewimperten haselnußbraunen Augen. »Ist dir klar, was für ein Glück wir haben?«
    Er betrachtete sie einen Augenblick. Dann sagte er: »Und ob. Ja.«
    Sie nahm die Flasche, trank einen Schluck und reichte sie ihm. Er trank ebenfalls einen Schluck und gab ihr die Flasche zurück. »Warum machen wir Inventur in Sachen Glück?« fragte er.
    Sie stellte die Flasche ab. »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß nicht … du erwähnst immer unser Glück, bevor du eine deiner Bomben fallenläßt.«
    »Nein, tu ich nicht.«
    »Gut, dann eben nicht.« Sein Lächeln sagte ihr, daß er nicht auf einen Streit aus war.
    »Ich hab bloß … na ja, Tatsache ist, ich wollte mit dir über etwas reden.«
    Er verschränkte die Arme. »Na, prima. Schieß los.«
    »Also, ich hab mir gedacht, es wär schöner, wenn wir einen Doppelnamen hätten.«
    »Wie bitte?«
    »Na, weißt du … dann wäre ich Mary Ann Singleton Hawkins.«
    Brian musterte sie. »Willst du mich verarschen?«
    »Nein. Ich hab dir ja schon gesagt, daß ich mich wie Mrs. Hawkins fühle. Meinen Namen zu behalten war mir nie so wichtig.«
    »Dem Sender aber schon«, sagte Brian.
    »Na gut, aber wenn ich Mary Ann Singleton Hawkins werde, haben sie ja immer noch den Bekanntheitsfaktor von meinem Namen, an dem ihnen so liegt … und … verstehst du … es wird klarer, daß ich verheiratet bin.«
    Er saß da und kriegte den Mund nicht zu.
    »Außerdem«, fügte sie hinzu, »finde ich den Namen richtig hübsch. Er ist markant.«
    Brian furchte die Stirn. »Und was wird dabei aus mir?«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine … was sag ich den Jungs bei Perry’s? Daß ich grade Brian Singleton Hawkins geworden bin?«
    Das nahm ihr den Wind aus den Segeln. »Oh … tja … ich verstehe, was du meinst.«
    »Was, in aller Welt, hast du …«
    »Vergiß es, Brian. Ich hab mir das nicht richtig überlegt. Es war eine blöde Idee.« Sie lächelte ihn verlegen an. »Gib mir die Flasche, schöner Mann.«
    Er tat es. Sie trank wieder einen kräftigen Schluck. Er streckte die Hand aus und berührte ihre Wange. »Du weißt, daß mich das mit dem Namen nicht stört. Das hab ich dir schon vor Ewigkeiten gesagt.«
    »Ich weiß.«
    Er legte ihr den Arm um die Schulter. »Gott, was bin ich doch für ein fortschrittlicher Typ.«
    Unten klingelte das Telefon.
    »Ich geh ran«, sagte sie und war dankbar für den Aufschub. Sie rannte die schmale Holzstiege hinunter, nahm beim vierten Läuten den Hörer ab und keuchte ein

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