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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Hallo.
    »Miss Singleton?«
    »Ja.«
    »Hier ist Simon Bardill.«
    »Simon! Wie geht es Ihnen? Kommen Sie gut zurecht?«
    »Mehr oder weniger. Ich bin ein bißchen in der Klemme, was Unterkunft angeht.«
    »Oh …«
    »Dürfte ich wohl gelegentlich Ihren Rat in Anspruch nehmen? Natürlich nur, wenn Sie Zeit haben.«
    »Aber selbstverständlich! Bleiben Sie kurz dran, ja?«
    Sie rannte wieder nach oben und konfrontierte Brian mit der Neuigkeit. »Es ist der Engländer von der Britannia. Ich hab gedacht, ich lade ihn für morgen abend zum Essen ein … das heißt, falls du ihn kennenlernen magst.«
    Brians Zögern war kaum wahrnehmbar. »Schön«, sagte er.

Simons Vorschlag
    Brian hatte bereits ein fertiges Bild von dem Engländer: Ein Abklatsch von Laurence Harvey, ein verwöhnter Aristokrat mit prätentiösem Gehabe und esoterischem Geschmack. Er staunte daher nicht schlecht, als Simon Bardill seine Plattensammlung ansteuerte und das Cover von Denim Gradations betrachtete.
    »Verdammt schade«, sagte er.
    Brian war einen Moment verunsichert. »Wie? Oh … Sie meinen, sein Tod?«
    »Mmm. Er nahm Freebase, nicht?«
    Brian schüttelte den Kopf. »Heroin. Laut Gerichtsmediziner.«
    »Ah.«
    »Sie … äh … Sie sind ein Fan von Bix Cross?«
    Der Lieutenant lächelte schwach. »Eher ein Freak als ein Fan. In meiner Bleibe in Cambridge habe ich ausschließlich ihn gehört.« Er hielt Brian das Album hin. »Wenn ich richtig sehe, gehört dieser reizende Busen seiner Frau, ja?«
    Brian schmunzelte. »Das sehen Sie richtig. Ich habe die Lady letztes Wochenende kennengelernt.«
    »Tatsächlich?« Nach der hochgezogenen Augenbraue zu urteilen, war der Lieutenant eindeutig beeindruckt. »Katrina, nicht? Nein, Camilla … was Exotisches.«
    »Theresa«, sagte Brian.
    Der Lieutenant ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Theresa … Theresa.« Er warf Brian einen wissenden Blick zu – von Mann zu Mann. »Ist ihr Gesicht so erfreulich wie der Rest?«
    »Noch erfreulicher«, sagte Brian. Das war zwar eine Übertreibung, aber er genoß es, sich als Experte für Theresa Cross zu profilieren.
    Der Lieutenant seufzte erleichtert. »Gott sei Dank!«
    »Warum?«
    »Na ja, man will sich doch seine Phantasien nicht kaputtmachen lassen.«
    Brian nickte. »Ja, das ist sicher wahr.«
    Der Lieutenant betrachtete wieder die Plattenhülle. »Darüber habe ich mir so oft den Bischof gebimst, das ist schon nicht mehr feierlich.«
    Brian kam nicht mit. »Ich glaube, da müssen Sie mir auf die Sprünge helfen.«
    Der Lieutenant lachte in sich hinein. »Sie wissen schon …« Er machte eine Wichsbewegung mit der Faust.
    Brian grinste. »Den Bischof bimsen?«
    »Richtig.«
    »Wo kommt das denn her?«
    Der Lieutenant überlegte kurz. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
    Sie beendeten das Thema mit einem flüchtigen Lachen. Der Lieutenant stellte die LP ins Regal zurück. Brian beschloß, die Pause zu nutzen. »Eine Frage«, sagte er, »– warum hat man Sie nicht längst in Ketten gelegt?«
    Dem Lieutenant schien diese Direktheit nicht zu behagen. »Ich glaube, Sie haben zuviel Melville gelesen. Die heutige Navy ist nicht annähernd so strikt, wie Sie vielleicht denken.«
    »Na gut, aber … Sie sind doch desertiert, nicht?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Ist das denn nicht ein Fall fürs Militärgericht?«
    »Manchmal«, sagte der Lieutenant. »Aber es kommt ganz darauf an. Je nachdem, um wen es sich handelt.«
    »Sie wollen sagen, Sie haben Freunde in hohen Positionen?« fragte Brian ihn auf den Kopf zu.
    Der Lieutenant schien sich höchst ungemütlich zu fühlen. Er wollte gerade etwas sagen, als Mary Ann ins Zimmer kam und ihn aus seiner Verlegenheit befreite. »Tja«, sagte sie, »sie ist leider noch nicht da.« Sie warf dem Gast einen bedauernden Blick zu. »Zu schade. Ihr Stoff ist ganz wunderbar. Sie nennt das Zeug nach der Königinmutter und so.«
    Der Lieutenant machte ein ratloses Gesicht.
    Brian übersetzte es ihm. »Unsere Vermieterin gibt ihren Marihuanapflanzen die Namen von Frauen, die sie verehrt.«
    »Aha.«
    Mary Ann wandte sich an Brian. »Ich hab es auch bei Michael versucht, aber er ist noch nicht aus Death Valley zurück. Ich könnte im Wagen nachsehen, ob noch Kippen im Aschenbecher sind.«
    »Zu spät«, sagte er. »Hab ich letzte Woche schon gemacht. Wir werden es mit deinem Brathähnchen einfach in unbekifftem Zustand aufnehmen müssen.«
    Sie funkelte ihn an und sagte zu dem Lieutenant: »Ich könnte Ihnen einen

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