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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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aus dem Privatkino und durch einen Korridor mit grauem Flanell und verchromten Zierleisten an den Wänden. »Waren Sie ein großer Fan von meinem Mann?«
    »Der größte«, sagte er.
    Sie warf ihm einen kokett tadelnden Seitenblick zu. »Ich hoffe, das ist keine falsche Reklame.«
    Bis er sich auf diese Bemerkung einen Vers gemacht hatte, waren sie vor einer Doppeltür angelangt – ebenfalls mit Flanell bespannt. »Ich werde Ihnen etwas zeigen, was die Zuschauer von Twenty/Twenty nicht zu sehen kriegen.« Sie schubste die beiden Türflügel auf, und er blickte in ein Schlafzimmer, dessen Abmessungen ohne weiteres die Olympianorm erfüllten. An den Wänden standen indirekt beleuchtete Plexiglasvitrinen. Sie enthielten eine Sammlung von »Niggernippes« aus den dreißiger und vierziger Jahren – Dutzende von Pickaninny-Puppen, als schwarze Mammis geformte und bemalte Keksdosen aus Ton, Onkel-Tom-Aschenbecher, Aunt-Jemima-Poster.
    »Ist ja nicht zu fassen«, sagte Brian.
    Die Rockwitwe tat es mit einem Schulterzucken ab. »Bix hat es immer ein bißchen bedauert, daß er nicht als Schwarzer auf die Welt gekommen ist. Aber das war’s noch nicht, was ich Ihnen zeigen wollte.« Sie ging zu einer gewaltigen Kommode neben dem Bett. »Sondern das …« Mit großer Geste zog sie eine Schublade auf.
    Brian war verdattert. »Äh … Unterwäsche?«
    »Höschen, Sie Dussel.«
    Er fühlte sich unbehaglich. Was, zum Kuckuck, sollte er dazu sagen?
    »Von seinen weiblichen Fans« ,erklärte Theresa und zog aus einer der Plastiktüten mit beschriftetem Etikett ein Exemplar heraus. »Das zum Beispiel ist aus dem Avalon Ballroom, neunzehnhundertsiebenundsechzig.«
    Er lachte nervös. »Sie wollen sagen, die haben sie ihm auf die Bühne geworfen?«
    Sie zwinkerte ihm zu. »Fix kombiniert.«
    »Und er hat sie aufgehoben?«
    »Jedes einzelne.« Mit einem karmesinroten Fingernagel fuhr sie über die Höschen wie eine Sekretärin, die das System ihrer Ablage erläutert. »Wir haben Höschen vom Be-In im Golden Gate Park – erinnern Sie sich? George Harrison war dabei. Uuuuund … die Standardschlüpferchen aus dem Fillmore, neunzehnsechsundsechzig. Das war ein guter Jahrgang, finden Sie nicht?«
    Er lachte und fand sie zum erstenmal sympathisch. Wenigstens hatte sie einen Sinn für Humor. »Die sollten sie unbedingt auch versteigern«, meinte er grinsend.
    »Kommt nicht in Frage. Die sind für mich. «
    »Wollen Sie etwa sagen …?«
    »Und ob! Ich zieh sie alle an!«
    Dieses Mal lachte er schallend.
    »Und ich seh auch saugut aus in den Dingern!«
    Das konnte er sich lebhaft vorstellen.
    »Kommen Sie«, sagte sie. »Sie fangen an zu schwitzen. Bringen wir Sie zurück zum Frauchen.«

Die Rückkehr der Connie Bradshaw
    Zwei Tage später drehte Mary Ann am Union Square einen Spot für die Bürgerinitiative »Rettet die Cable Cars«. Da die Cable Cars wegen Renovierungsarbeiten außer Betrieb waren, benutzte sie den Waggon, der neben dem Hyatt auf Holzblöcken stand. Sie konnte förmlich spüren, wie peinlich es dem melancholischen Relikt war. Wie einem Elchskopf an der Wand in einer Bar.
    Sie sagte ihren Spruch in einer effektvollen Einstellung, in der sie sich waghalsig aus dem aufgebockten Waggon herauslehnte. Was ihre Erniedrigung komplett machte, war eine Ansammlung von Gaffern, die ihr strapaziöses Tun verfolgten, ihren gelungenen Takes applaudierten und über Patzer lachten.
    Als sie fertig war, kam eine Schwangere auf sie zu. Ihr Zustand, obwohl selbst für Idioten nicht zu verkennen, wurde bekräftigt durch ein gelbes Umstandskleid mit dem Wort BABY auf dem Bauch – und einem Pfeil, der in die Richtung wies, die das Baby nehmen mußte, um rauszukommen.
    »Mary Ann?«
    »Connie?«
    Connie Bradshaw kreischte, wie sie immer schon gekreischt hatte; wie vor fünfzehn Jahren in Cleveland, wo sie Vortänzerin an der Central High-School gewesen war und Mary Ann als Mitglied in der National Forensic League einen bescheidenen Ruhm genossen hatte. Manche Dinge schienen sich nie zu ändern, und dazu gehörte auch Connies Unfähigkeit, das Leben ohne beschriftete Klamotten zu meistern.
    Eine umständliche Umarmung schloß sich an. Dann trat Connie zurück und musterte ihre einstige Mitbewohnerin von Kopf bis Fuß. »Du bist ja so ein Star! « rief sie strahlend.
    »Nicht unbedingt«, sagte Mary Ann und meinte es ehrlicher, als ihr lieb war.
    »Ich hab dich mit der Queen gesehen. Also, wenn dich das nicht zum Star macht, was dann?«
    Mary Anns

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