Stadtluft Macht Frei
Genua“ ihre Rechte und Gewohnheiten „innerhalb und außerhalb der Stadt“
( infra et extra civitatem
) bestätigt – das Dokument ist das älteste Privileg für eine italienische Stadt in der Zeit vor der großen kommunalen Bewegung des Hochmittelalters. Nur einer Stadt, die eine wichtige politische Stellung besaß, in der ein reges Leben und eine leidlich intakte Versorgung der Bevölkerung gewährleistet war, konnte ein solches Privileg zuteil werden. Bereits Ende des 9. Jahrhunderts wurde in Genua ein Mauerring errichtet, der die Stadt umschloss. Von solchen Mauern konnten die Bewohner der Siedlungen nördlich der Alpen, die zu dieser Zeit den Raubzügen der Normannen hilflos ausgesetzt waren, nur träumen! 1152 erfolgte eine Erweiterung des Mauerrings, und steil machte die Stadt weiterhin „Karriere“. Sie baute sich durch Kolonien am Bosporus und an den Küsten des Schwarzen Meeres ein Reich aus, das hinter dem ihrer großen Rivalin an der Adria, Venedig, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts kaum zurückstand.
Köln – Stadt der Römer
und des Christentums
Die Bewahrung des Charakters einer Stadt auch über das Ende der Antike hinaus – für die römischen Städte im Gebiet des späteren Deutschland gilt dies zwar nicht in gleichem Maße, doch sorgte allein schon die Tatsache, dass in vielen dieser Städte ebenfalls seit dem 4. Jahrhundert ein Bischof residierte, für eine gewisse Kontinuität der Bevölkerungszahl und der administrativen Organisation. Denn wo ein Bischof ist, da muss eine Stadt sein – so schrieb es das Kirchenrecht vor. Eine dieser Städte ist Köln. Im Jahr 50 n. Chr. veranlasste Agrippina die Jüngere, die Frau des damaligen römischen Kaisers Claudius, ihren Mann, ihren Geburtsort zu einer Siedlung römischen Rechts zu erheben. Die Stadt hieß von nun an mit vollständigem Namen:
Colonia Claudia Ara Agrippinesium
, was in römischer Zeit offiziell abgekürzt wurde mit den vier Buchstaben: CCAA.
Zur Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien geworden, |37| entwickelte sich die Agrippina in der Zeit um 100 zu einem der bedeutendsten Handelszentren im Nordwesten des Römischen Reiches. Um 310 ließ Konstantin der Große (306–337), der erste christliche römische Kaiser, eine feste Brücke über den Rhein errichten, welche die Agrippina mit dem auf der anderen Rheinseite gelegenen Kastell
Divitia
, dem heutigen Deutz, verband. Ein Bischof ist für Köln erstmals 313 erwähnt. Ein Bote Konstantins des Großen erreichte die Stadt. In seinem Marschgepäck befand sich ein umfangreiches Aktenstück aus der Kanzlei des Kaisers. Es war adressiert an einen Mann namens
Maternus
, den „Bischof der Agrippinesier“
( Maternus, episcopus Agrippinensium
). Das Aktenmaterial war politisch hochbrisant. Es enthielt die Unterlagen für einen Gerichtsprozess, der in Rom noch im selben Jahr gegen die sogenannten Donatisten, eine feindliche christliche Gruppierung in Nordafrika, geführt werden sollte, und Kaiser Konstantin wünschte, dass dieser
Maternus
an dem Verfahren teilnehmen sollte. Wo ein Bischof ist, da muss eine Stadt sein – und eine Christengemeinde, eine Gemeinschaft, der dieser Bischof vorsteht. So können wir davon ausgehen, dass lange vor 313 das Christentum in Köln bereits Fuß gefasst hatte.
Die Franken erobern Köln
Noch zwei weitere Bischöfe in Köln sind uns für das 4. Jahrhundert überliefert, Euphrates und Severinus, und im Ganzen steht das Christentum der Agrippina für ein Element der Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter. Doch in der Folgezeit erlosch das römische Köln. Die alte Agrippina, sie ging unter. Die Kölner bekamen neue Herren, die Franken. Die Franken waren ein germanisches Volk. Von ihren ursprünglichen Sitzen im Gebiet der heutigen Beneluxstaaten dehnten sie ihre Herrschaft immer weiter aus, um schließlich, Jahrhunderte später, unter Kaiser Karl dem Großen um 800 halb Europa unter ihrer Kontrolle zu haben – vom Ebro bis zur Elbe, vom Ärmelkanal bis nach Mittelitalien. 355 wurde das römische Köln erstmals von den Franken eingenommen. Die Einwohner waren schockiert – nicht anders |38| wohl als die Römer 410, als ihre Stadt von den Westgoten unter König Alarich erobert wurde. Die fast vier Kilometer lange steinerne Stadtmauer, welche die Agrippina vor germanischen Scharen bislang immer geschützt hatte, wog die Kölner in Sicherheit. Niemand, so dachten sie, konnte ihrer Stadt etwas anhaben.
Doch die Sicherheit war
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