Stadtluft Macht Frei
Weinschenken. Die Schaffhausener waren also in dieser Hinsicht gut versorgt – und in anderen Städten sah es nicht anders aus.
Spiele und Turniere –
Die Stadt als Ort der Vergnügungen
In der mittelalterlichen Stadt – vorausgesetzt, sie zählte zu den größeren – war so gut wie immer etwas los; es war schwer, sich in einer Stadt zu langweilen. Die Stadt war – freilich zu unterschiedlichen Jahreszeiten mit unterschiedlicher Intensität – der Ort der Spaßmacher und Entertainer der verschiedensten Couleur. Da waren die Spielleute, die mit Geige, Leier, Pfeife, Trommel oder Tamburin im Wirtshaus, bei Festen, Jahrmärkten und Messen für gute Laune sorgten. Da waren die Gaukler; seien es die Seiltänzer, die hoch zwischen den Häusern ihr Seil spannten, um unter dem bangen Staunen des Publikums darauf herumzubalancieren; seien es die Kunstreiter, die auf dem Rücken ihrer Pferde atemberaubende Übungen vorführten; seien es die Bärenführer, die ihre Bären tanzen und kunstvolle Akrobatik treiben ließen.
Da waren die Fechter, die mit ihren auf Nachahmung echter Rivalität ausgerichteten Künsten den Zuschauern einen Nervenkitzel der ganz besonderen Art boten. Da waren aber auch Wahrsager, Kristallseher, Zauberer und Teufelsbanner; mit ihren anrüchigen Praktiken boten sie dem Publikum einen verbotenen Schauder und geheimen Reiz. Teils waren diese ganz unterschiedlichen Gruppen in der Stadt selbst ansässig oder wurden es im Laufe des Mittelalters mehr und mehr; in nicht wenigen Fällen übten sie nebenher noch einen anderen Beruf aus, da von den Späßen und Possen allein kaum zu leben war. Teils wurden sie sogar – wie die Spielleute – vom Rat einer Stadt für die verschiedensten Gelegenheiten engagiert; städtische Rechnungsbücher zeigen, dass sich die Stadtväter derlei Aktivitäten durchaus etwas |24| kosten ließen. Mehrheitlich aber zogen sie einzeln oder in größeren Gruppen vagabundierend von Ort zu Ort, um sich ihren zumeist kargen Unterhalt zu verdingen, sie zählten zum „Fahrenden Volk“.
Gewiss: Die mittelalterliche Stadt hatte in den wenigsten Fällen ein Monopol auf Unterhaltung. Viele dieser Künste, wenn sie denn als „Kunst“ galten, gab es andernorts zu bestaunen: an den Höfen, in königlichen Kreisen und in den Burgen des Hochadels, wo es stets ein begieriges Publikum gab. (Wie sonst hätte wohl der ottonische Kaiser Heinrich II. auf die Idee kommen können, einen Mann mit Honig einstreichen und ihn anschließend von einem Bären abschlecken zu lassen, um sich an der Angst des Mannes zu weiden? Der Bärenführer gehörte zum Hof wie zur Stadt.) Fahrendes Volk traf man aber auch in der dörflichen Gesellschaft, in den Schenken und Krügen auf dem Land, wo die Menschen zusammenströmten, wann immer sich Abwechslung vom täglichen Einerlei, den immer gleichen Diensten und Verrichtungen bot. Gaukler und Entertainer fanden sich im mittelalterlichen Heer, in dem Pfeifer und Trompeter zum Angriff bliesen, um den Kämpfenden Mut und die Schrecken des Kampfes vergessen zu machen. Aber die wachsende Welt der Städte bot für sie doch ein ganz besonderes Betätigungsfeld. Sie wurde zu ihrem Ort par exellence.
Nur in den Städten konnte man ein Seil zwischen hohen Häusern spannen. Nur in den Städten waren die Wirtshäuser immer voll. Nur in den Städten gab es Jahrmärkte und Messen. Auf der Frankfurter Messe wurden im 15. Jahrhundert von einem Schausteller exotische Tiere gezeigt – Elefanten, Pelikane, Auerochsen. Auf der Leipziger Messe im frühen 16. Jahrhundert führten Schausteller einen beweglichen Automaten vor. So bunt gewürfelt, so verschieden die Gruppe auch ist: Die Spielleute zählten in vielen Fällen zu den Randgruppen und Außenseitern der mittelalterlichen Gesellschaft. Ihre Tätigkeit wurde vor allem in kirchlichen Kreisen als sündhaft bezeichnet. Sie wurden in scharfer, ja ätzender Form kritisiert. Doch merkwürdig (oder auch nicht): Die Gesellschaft, die sie ächtete, bediente sich ihrer auch; sie ließ sich von den Spielleuten von Sorgen und Nöten des Alltags nur allzu gern für einen Moment befreien.
|25| Das Turnier
Auch die höfische Welt des Mittelalters, die nicht in den Städten, sondern an den Höfen der Könige und Fürsten ihren Ursprung besaß, hatte ihre Ableger in der Stadt. Nicht nur im Rahmen glanzvoller Feste des Hochadels, auch von den Städten wurden Ritterspiele abgehalten – nicht nur vor ihren Mauern, wie das vor den Toren
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