Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
und ihre Selbständigkeit zu fördern, sind 15 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen in den »Walking Bus« eingestiegen. Angeregt hat diesen Professor Wolf-Dietrich Brettschneider, an der Uni Paderborn als »Papst der Sportwissenschaft« bekannt. Rund 500 Kinder an 15 Schulen gehen mit dem »Walking Bus« zu Fuß zur Schule, anstatt sich von ihren Eltern im Auto chauffieren zu lassen. Die Kinder werden von Erwachsenen begleitet, sie passieren zu Fuß wie ein Linienbus fest vereinbarte »Haltestellen« zu festen Uhrzeiten. An jeder Haltestelle gesellen sich mehr Kinder dazu; sie kommen so sicher in die Schule und wieder nach Hause. Die Eltern, die sich abwechseln können, werden durch den »Walking Bus« zeitlich entlastet, zudem reduziert sich das morgendliche Verkehrsaufkommen vor den Schulen.
Fürs Leben lernen, aber von wem?
Auch Kinder haben ein Leben jenseits von Schule und Spiel, von Surfen und Skaten. Was und von wem lernen Kinder auf dem Land fürs Leben? Wo finden sie Vorbilder? Und was, wenn die Träume und Fantasien der Heranwachsenden sich von denen der anderen stark unterscheiden? Wer als Dorfjugendlicher nicht in den Fußballverein möchte und auch nicht zu den Schützen, der kann schnell vereinsamen. Das Gothic Girl oder der Junge mit der Vorliebe fürs Ballett, sie brauchen ein dickes Fell, um dem provinziellen Mainstream zu trotzen.
Der Soziologe Albert Herrenknecht hat untersucht, wie die heutige Dorfjugend tickt. In seiner Publikation »Land-Kindheit im Wandel, Sozialräumliche Veränderungen im Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen auf dem Lande« schreibt er, es sei ein Irrtum anzunehmen, »die heutige Dorfjugend habe quasi ständig ihr Dorf und Dorfsein im Kopf«. Das Dorf als Sozialraum spiele im Leben der Jugendlichen eine untergeordnete Rolle. Jugendliche würden sich fragen, warum sie sich – nur weil sie im Dorf leben – immer wieder im Dorf legitimieren müssten, warum sie sich durch die Übernahme von Gemeinschaftsaufgaben (Umweltarbeiten, Dorfsäuberungsaktionen oder Altenbetreuung) als sozial »anständige« Jugend beweisen müssten.
»Der lange Arm der Dorftradition lastet wie ein Bann auf den Jugendlichen«, so Herrenknecht. Doch diese könnten nicht verstehen, warum sie sich unter dieses »Joch der Tradition« begeben sollen »und nicht einfach das tun können, was sie wollen«. Man wachse in und mit dem Dorf auf, aber spätestens beim Beginn der Schullaufbahn haben Jugendliche klare Vorstellungen davon, ob die berufliche oder persönliche Zukunft vor Ort umsetzbar oder ein Ortswechsel vonnöten ist. »Individuelle Bildungs- und Karriereplanungen haben das Denken in den Kategorien des Dorfes längst gesprengt.«
Vor allem die jungen Frauen machen ihr Ding. Und das immer häufiger fern ihres Heimatdorfs. Sie gehen weg aus den Dörfern, da sie aus ihrem höheren Schulabschluss mehr herausholen möchten. Das EU -Forschungsprojekt SEMIGRA (Selective Migration and Unbalanced Sex Ratio in Rural Regions) untersuchte die Abwanderungsraten von Frauen aus ländlichen Regionen und kam zu folgendem Ergebnis: »Junge Frauen nehmen fast überall in Europa häufiger ein Studium auf als gleichaltrige Männer, gleichzeitig haben sie größere Schwierigkeiten, auf ländlichen Arbeitsmärkten Fuß zu fassen.« Hinzu kommt die stärker eingeschränkte Perspektive für Lebenspläne jenseits der Hausfrauen- und Mutterrolle. Ländliche Räume in Ostdeutschland sind im europäischen Vergleich mit am stärksten von der Abwanderung junger Frauen betroffen.
Heitere Berufewahl
Was sollen sie auch machen und werden auf dem Land? Kein Schulabgänger, der in der Stadt lebt, muss App-Designer werden – oder Lebensmittelchemikerin, Gymnasiallehrer, Verkehrsplaner oder Richterin. Aber man könnte! Werfen wir noch einmal einen beispielhaften Blick auf Leipzig: Die Stadt bietet die verschiedensten beruflichen Schulen für Wirtschaft/Verwaltung, Metalltechnik, Bautechnik, Elektrotechnik, Gesundheit/Sozialwesen, Ernährung/Hauswirtschaft. Und damit nicht genug: Fachschulen, Fachhochschulen, berufliche Gymnasien, Abendmittelschule, Abendgymnasium, Kolleg (Vollzeitgymnasium für Erwachsene). Und Hochschulen gibt es natürlich auch, die AKAD Hochschule Leipzig, eine ostdeutsche Hochschule für Berufstätige, Berufsakademie, Europäische Wirtschafts- und Sprachakademie, Hochschule für Management und Ökonomie, Hochschule für Grafik und Buchkunst, Handelshochschule, Leipzig Graduate School of Management,
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