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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Strahl
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uns sah, erhob er sich und schüttelte uns beiden die Hand. Ein Schatten lag auf seinem Gesicht, aber aus seinen Augen strahlte echte Freude. Der Schatten wich einem gelösteren Ausdruck.
    »Ich hatte gehofft, dass ihr noch lebt! Schön euch zu sehen. Setzt euch!«
    Er deutete auf die Sitzgarnitur. Kaum hatten wir Platz genommen, deutete er Andrej, den Raum zu verlassen. Der wortlose, nicht unfreundliche Befehl wurde prompt befolgt. Egor war hier der Boss, daran gab es keinen Zweifel.
    »Aber was zum Teufel macht ihr noch hier? Ich dachte, eure Straße sei evakuiert worden?«
    »Ist auch so. In unserer Straße gibt es nur drei Haushalte, in denen noch Menschen leben. Einer davon ist meiner. Einige hatten Glück. Wir nicht.«
    Egor nickte. »War ganz schön was los beim Bahnhof, ich habe davon gehört. Und wie wohnt es sich jetzt so allein?«
    Ich zuckte mit den Schultern und sagte die Wahrheit.
    »Eigentlich ganz entspannt. Es ist unglaublich ruhig und wir stehen im Kontakt mit den anderen Dagebliebenen. Machen manchmal Brunch und so. Aber hier war es dafür nicht so ruhig, wie es scheint?«
    Egor schüttelte ernst den Kopf.
    »Nein, hier ist es nicht so ruhig wie in eurem beschaulichen Dorf Walle. Was wir beim Inferno gesehen haben, war nur der Anfang. Draußen auf der Straße herrschte eine Nacht lang Krieg. Aber jetzt haben die Leute gelernt, sich zu verbarrikadieren und nun schwelt der Krieg nur noch hinter den Mauern. Es ist… gespenstisch. So viele Nachbarn, aber keiner traut sich raus. Keiner traut irgendjemandem. Traurig.«
    Der Schatten war zurück in Egors Gesicht, sein Blick verlor sich.
    »Hast du eine Ahnung, wie weit das Ganze sich ausgebreitet hat?«
    Egor Blick wurde wieder klar. Er nickte, als habe er diese Frage erwartet.
    »Vater Staat hat einen Zaun um uns gezogen, um es einzudämmen. Das Sperrgebiet verläuft zwischen Hafen und Eisenbahnlinie von Utbremen bis Oslebshausen. Dort wurde unter der Autobahnbrücke eine große Sperre errichtet. Das gleiche in Utbremen unter der Hochstraße.«
    »Also lassen die keinen mehr raus?«
    »Nein, aber wieso sollten die Menschen auch raus wollen? Die meisten bleiben zuhause, um ihren Besitz zu beschützen. Es ist alles was sie haben, so wenig es auch sein mag.«
    Wieder entstand ein kurzes, unbehagliches Schweigen. Dieses Mal wurde es von Egor gebrochen.
    »Ben, was ist mit deiner Hure? Erzähl mir nichts, ich weiß, dass du sie nur ficken wolltest.«
    Ben nickte. Wenn er sich von Egors Aussage beleidigt fühlte, versteckte er es gut.
    »Wir wollten sie besuchen, aber die kleine Schwuchtel von ihrem Mitbewohner hat sie umgebracht und wollte sie gerade verspeisen, als wir kamen.«
    Ben hatte den richtigen Ton getroffen, das konnte man in Egors Augen lesen.
    »Und dann?«
    »Ich habe ihn getötet.«
    Egor nickte anerkennend.
    »Du hast richtig gehandelt. Auch wenn sie nur deine Hure war. So hätte jeder Mann gehandelt.«
    Wir nickten pflichtbewusst.
    »Und was führt euch nun aus dem beschaulichen Dorf Walle zu mir in den Vorgarten der Hölle?«
    Es ging los. Von nun an mussten wir voll konzentriert sein, um es nicht zu vermasseln. Schließlich war Egor ein gefährlicher Mann.
    »Der Grund unseres Besuches hat mit Dimitri zu tun.«
    Egor wurde schlagartig ernst. Er öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder, starrte von mir zu Ben und wieder zurück. In seinen Augen lag Schmerz.
    »Was hat euer Kommen mit meinem armen Bruder zu tun?«
    Zu dem Schmerz in seinem Blick gesellte sich Wut. Wir mussten aufpassen.
    »Wir möchten ihn gerne sehen.«
    Egor musterte mich mit seinem Adlerblick. Einen Moment lang dachte ich, er würde aufspringen und mir auf der Stelle an die Gurgel springen. Ich sah, wie er mit sich rang. Aber dann beruhigte er sich, zuckte mit den Achseln, zupfte an seinen Ärmeln und stand auf.
    »Also gut. Wenn es das ist was ihr wollt, bitteschön.«
    Alle Freundlichkeit, aller Respekt war aus seinem Auftreten entwichen. Vielleicht hielt er uns für taktlos, vielleicht für unverschämt. Ich machte mir langsam Gedanken, ob mein Plan wirklich so einfach war, wie ich dachte. Wenn wir einen Fehler machten, könnte dieser Mann uns ohne Zögern töten.
    Egor führte uns in die Küche der Wohnung. Dimitri saß am Küchentisch, gegenüber saß ein weiterer Mann, die Pistole auf dem Tisch griffbereit. Dimitri war vollkommen mutiert, wie der Totenmann beim Kiosk. Als er uns sah, ertönte ein gedämpftes Brüllen aus seiner Kehle. Man hatte ihn geknebelt und

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