Stadtmutanten (German Edition)
Krämpfe, legen wir ihn auf die Seite!«
Kaum hatten wir ihn mit samt dem Stuhl seitlich auf den Boden gelegt, begann Dimitri zu brüllen und wie wild zu zittern. Der Anfall war viel schlimmer als bei mir. Die Fesseln lösten sich vom Stuhl und rissen. Ich betete, dass das Kokain wirken würde. Ansonsten würde es blutig ausgehen. Endlich ließen die Krämpfe nach. Dimitri lag regungslos auf dem Boden. Er war noch immer entstellt. Ich fragte mich erneut, ob wir zu spät gekommen waren. Egor beugte sich zu ihm hinunter.
»Bruder. Kannst du mich hören?«
Pause.
»Bruder! Ich bin es, Egor.«
Zuerst kam wieder nichts. Doch dann öffnete Dimitri den Mund und brachte krächzend ein Wort heraus: »Mehr!«
Egor gab ihm eine zweite Ladung - und damit alles, was wir noch hatten. Dieses Mal waren die Krämpfe nicht so schlimm. Als sie vorüber waren, band Egor Dimitri vollends los und half ihm, sich wieder hinzusetzen. Die Veränderungen waren beinahe verschwunden. Es war wie ein Wunder. Eine Weile starrte Dimitri vor sich hin, musste sich orientieren. Dann blickte er in die Runde, suchte Egor. Als er ihn fand, brach er in Tränen aus.
»Egor. Ich danke dir, Bruder.«
»Danke Marek und Ben, sie hatten das Wissen.«
Dimitri nickte uns zu, wandte sich dann wieder mit angstvollem Blick seinem Bruder zu.
»Egor, sei ehrlich: Habe ich etwas Böses getan? Sag es mir, bitte!«
»Nein, Bruder. Du hast nichts getan. Ich habe auf dich aufgepasst.«
Dimitris Gesichtszüge und sein ganzer Körper entspannten sich, als sei nicht nur ein Stein von seinem Herzen, sondern gleich ein ganzes Gebirge von ihm abgefallen.
»Mein Gott. Ich habe so schreckliche Gedanken gehabt. Voller Hass und Gewalt. Ich möchte nie wieder so etwas denken. Ich konnte nichts dagegen tun. Es war, als wäre ich gezwungen, im Kopf eines Anderen zu leben. Es war grauenvoll.«
Egor legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter und eine Weile steckten die beiden die Köpfe zusammen und tuschelten. Schließlich wandte Egor sich wieder zu uns. Er hatte Tränen in den Augen.
»Habt vielen Dank. Wir stehen tief in eurer Schuld. Ihr seid Männer von Ehre, das ist in eurem Volk sehr selten. Ich habe mich nicht in euch getäuscht. Ich erfülle euch jeden Wunsch. Also, was ist es?«
Ben und ich wechselten einen unsicheren Blick, was Egor nicht entging.
»Ich bin nicht naiv. Ihr habt Dimi geholfen und das werde ich nie vergessen. Aber ich weiß auch, dass ihr den gefährlichen Weg hierher nicht ganz ohne Eigennutz gemacht habt. Ihr seid schließlich keine Idioten. Also los, raus damit!«
Nun war es an uns, die Sache nicht zu vermasseln. Wie abgesprochen meldete ich mich zu Wort.
»Ihr solltet beide wissen, dass die Wirkung nur vorübergehend ist. Man muss wieder koksen. Aber es scheint, als wenn es jedes Mal länger dauert, bis die Veränderungen wieder eintreten. Und wir hoffen, dass es irgendwann ganz aufhört. Und selbst wenn nicht: Wenn es irgendwann reicht, sich einmal im Jahr zum Geburtstag die Nase zu pudern, kann ich damit leben.«
Dimitri und Egor wechselten einen viel sagenden Blick. Hoffnung lag darin. Und Erkenntnis. Egor lächelte.
»Jetzt verstehe ich, was ihr wollt. Natürlich würde ich euch gern einen Sonderpreis machen, da ihr meinen Bruder gerettet habt. Aber leider habe ich kein Kokain hier. Ich besitze natürlich eine beträchtliche Menge, aber es ist, sagen wir, verloren gegangen.«
»Verloren gegangen?«
»Ja. Ihr habt meinen Cousin Andrej kennen gelernt. Er hat eine Freundin. Fatima. Eine prächtige junge Frau. Großartiger Charakter. Aber ihr Bruder will unbedingt das schwarze Schaf in der Familie sein und in das Geschäft einsteigen. Also will er mich, den Konkurrenten, ausschalten. Er hat das Koks geklaut und in einem Haus versteckt, das voll mit diesen Wilden ist. Aber Fatima ist ein gutes Mädchen. Sie hat Andrej erzählt, wo ihr gottverdammter Bruder das Zeug versteckt hat.«
»Und ihr habt noch nicht versucht, es zurückzuholen?«
»Zu gefährlich. Ich habe zu wenige Leute. Ich kann nicht riskieren, dass jemand gebissen wird. Und das bringt euch ins Spiel. Ihr geht und holt das Zeug.«
Ben und ich wechselten einen Blick. Dies ging weit über das hinaus, was wir antizipiert hatten.
»Wir?«
»Ja. Ihr seid bereits infiziert. Ihr braucht euch nicht vor einem Biss zu ängstigen. Ihr geht rein, bringt alles um, was drinnen ist und holt mein Koks. Dann kommen wir ins Geschäft. Andrej wird euch hinbringen.«
»Egor, wir sind
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