Stadtmutanten (German Edition)
Entfernungen hören konnte. Unser Viertel war durch die Evakuierung eine Oase des Friedens inmitten des Chaos geworden. In den dichter bewohnten Gegenden schien es dafür hoch her zu gehen. Ich schnippte die Kippe weg und ging hinunter zu Marty.
Beim Essen redeten wir über unsere Pläne für den Rest des Tages. Marty wollte gleich nach dem Brunch zu seinem Treffen aufbrechen. Er ließ sich nach einiger Überredungskunst davon überzeugen, seinen Knüppel mitzunehmen, obwohl ihm das eigentlich »zu prollig« war. Ich war erleichtert. Dann fragte er, was wir anderen tun würden. Ben und ich wechselten einen Blick, dann wandte Ben sich todernst zu Marty und sagte ihm die Wahrheit.
»Wir gehen zu einem durchgeknallten Russen, den wir vorgestern kennen gelernt haben und besorgen uns Koks.«
Marty war platt. Ungläubig starrte er mich an.
»Mal ehrlich, Marek: Das hätte ich dir nie zugetraut. Ich hab dich nie für spießig gehalten, oder so. Aber vielleicht für etwas langweilig? Egal, aber dass du kokst… Weiß Katie davon?«
»Um ehrlich zu sein, mache ich das erst seit vorgestern.«
Nun war Lila an der Reihe, mich erstaunt anzustarren.
»Seit vorgestern? Das sah für mich aber ganz anders aus!«
»Ich lerne sehr schnell«, lächelte ich etwas verlegen.
»Wir nehmen das Zeug auch nicht zum Spaß«, half Ben mir.
»Nicht?«, fragte Marty.
»Nein.«, antwortete ich.
»Aber wofür denn dann. Als Medizin etwa?«
»Da liegst du gar nicht so falsch.«
Ich zog mein T-Shirt aus, zeigte meine infizierte Wunde. Marty fiel die Kinnlade herunter. Lila war erschrocken.
»Marek! Ich wusste nicht, dass es schon wieder so weit…«
Schnell zog ich das Hemd wieder herunter.
»Ist schon OK. Es geht viel langsamer als vorher.«
Marty bekam langsam den Mund wieder zu.
»Also, lasst mich mal gucken, ob ich das zusammenkriege. Ihr zwei seid gebissen worden und hättet euch in ein paar von den Wichsern da draußen verwandelt, aber dann habt ihr euch jeder eine Line gezogen und deswegen lauft ihr doch noch nicht herum und beißt andere Leute.«
»Genau.«
»Aber das Koks hilft nicht für immer. Ihr müsst nachlegen.«
»Wieder richtig. Die Wirkung ist vorübergehend. Aber die Infektion wird auch verlangsamt. Direkt nach dem Biss sah ich schon nach ein paar Stunden so aus. Naja, beinahe so schlimm. Jetzt habe ich schon zwei Nächte rum und bin immer noch ich selbst.«
»Aber du siehst, wir brauchen bald Nachschub«, ergänzte Ben.
In Marty arbeitete es.
»Ich lauf hier also die ganze Zeit mit zwei tickenden Zeitbomben rum!«
Er schaute zu Lila. »Und wieso hängst du mit den beiden rum? Bist du auch infiziert?«
Lila blieb cool. Ultracool.
»Mein Mitbewohner wollte mich und meine Freundin essen. Da hab ich Marek und Ben geholt und sie haben ihn fertig gemacht. Jetzt kann ich nicht zurück, weil seine Leiche in der WG liegt.«
»Und deine Freundin?«
»Tot.« Ein leichtes Zittern in ihrer Stimme verriet, dass sie alles andere als »cool«war.
»OK, verstehe.«
Marty warf einen weiteren staunenden Blick in meine Richtung.
»Also, ich muss ja sagen, ich hab dich ganz falsch eingeschätzt.«
»Bin nicht stolz drauf. Außerdem hat Ben ihn plattgemacht.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Lila verstohlen auf meine Schulter starrte. Der Anblick hatte ihr nicht gefallen. Ich beschloss, das Thema wieder auf Kokain zu lenken.
»Wir hoffen, dass das Koksen mit der Zeit die Infektion ganz aufhält. Wäre zumindest einen Versuch wert.«
»Und wenn nicht?«, wandte Lila nicht ganz ohne Subtext ein.
Ich schaute Ben an, der mit den Schultern zuckte. Dann blickte ich Lila in die Augen. »Dann müssen wir das Zeug eben weiter nehmen. Und wenn das Koks die Infektion weiter verlangsamt, reicht es vielleicht irgendwann, wenn wir uns alle paar Wochen mal die Nase pudern.«
Dann fiel mir etwas ein.
»Aber Marty… Erzähl es bitte nicht deinen Kumpels, wohin wir gehen. Ich weiß nicht, ob unser Mann da so drauf steht.«
»OK.« Obwohl ich mir nicht sicher war, ob Marty eine solche Neuigkeit verbergen könnte.
»Also gut«, sagte Ben und klatschte in die Hände, »Du gehst zu deinem Treffen und wir machen unsere, ähem, andere Art von Shopping.«
»Und was machst du?«, fragte ich Lila später, als wir einen kurzen Moment allein waren.
»Schlafen, ein paar DVDs angucken, mir fällt schon was ein.«
»Wirst du noch hier sein, wenn wir zurück sind?«
»Würde dir das etwas bedeuten?«
Das war natürlich eine gemeine
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