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Stadtmutanten (German Edition)

Stadtmutanten (German Edition)

Titel: Stadtmutanten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Strahl
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Boden. Nagelte ihn fest. Dann tat ich das, was mein Körper mir befahl: Ich biss ihm in die fleischige Schulter und ließ nicht los, bis ich sein Fleisch in meinem Mund spürte. Ich kaute und schluckte. Pah, Leon war ein Anfänger gewesen! Mir fiel das Fressen kinderleicht. Ich hörte mich ein triumphierendes Geheul ausstoßen. Aus der Wunde schoss Blut. Gut, ich war ohnehin durstig wie ein Pferd. Also vergrub ich mein Gesicht ein zweites Mal in die Wunde und trank. Der Hunger ließ nach. Ich hatte mich in meinem Leben nicht so gut gefühlt. Ich wischte mir den Mund an Mehmets Hemd ab und setzte mich auf. Er schrie nicht. Er stand unter Schock. Aus meiner Kehle drang ein höhnisches Lachen. Ich spielte mit dem Gedanken, die Sache hier und jetzt zu beenden - meine Beute endgültig zu töten und mich an ihr zu laben. Aber da fiel mir ein, dass mein ursprünglicher Plan ein Anderer gewesen war. Also zwang ich das Tier in mir in den Hintergrund, was mir auch weitgehend gelang, auch wenn es mich immer wieder an die Notwendigkeit zu fressen erinnerte, was mich zutiefst belustigte. Oh ja, Triebe hatten schon etwas Berauschendes an sich. Ich überlegte, ob ich noch im Stande war zu sprechen und fand, dass ich diese Fähigkeit noch nicht verloren hatte. Also sprach ich.
    »Was ist, Mehmet? Hat es dir die Sprache verschlagen, du kleiner Bastard?«
    Meine Stimme klang tief und kehlig. Sie machte Mehmet Angst. Ich konnte seine Angst riechen. Oh ja, er machte sich beinahe in die Hose. Er rang nach Worten, fand aber keine.
    »Gefällt dir mein neues Ich?«
    Wieder keine Antwort, aber dieses Mal schien er näher dran zu sein.
    »Du ahnst nicht, wie sehr ich dich verflucht habe, als ich in deinem Spielhaus war. Du sadistischer kleiner Wichser.«
    Mehmet rang mit sich. Schluckte. Dann sprach er.
    »Warum kannst du sprechen? Du bist einer von denen, du solltest inzwischen dumm wie Bohnenstroh sein.«
    Ich grinste.
    »Es gibt eine Menge Dinge, die du noch nicht weißt. Pass mal gut auf, ich zeig dir etwas!«
    Ich wischte mir die blutverschmierten Hände trocken und holte das Kokain aus meiner Tasche. Da ich nicht sicher war, ob ich den feinmotorischen Akt des stilvollen Kokainkonsums noch vollziehen konnte, schüttete ich ein wenig auf meinen Handteller und saugte das Pulver schnaufend ein. Der Effekt kam wie immer mit ein paar Sekunden Verzögerung. Aber er kam mit einem Paukenschlag. Ich wurde von Krämpfen geschüttelt und litt unglaubliche Schmerzen, als wollte sich mein neues Ich gegen die Behandlung wehren, und vielleicht stimmte das auch. Als ich wieder zu mir kam, war Mehmet bereits zum Ende des Tunnels getaumelt. Mit Leichtigkeit holte ich ihn ein und zerrte ihn zurück in die Dunkelheit des Tunnels.
    »Wir sind noch nicht fertig, mein Freund.«
    »Wie hast du das gemacht?«
    »Gewöhnliches Koks, mein Lieber. Deswegen war ich in deinem Haus.«
    »Kokain hilft?«
    Ungläubig starrte er mich an.
    »Sieht wohl so aus. Aber nun zu dir. Woher hast du das Zeug? Den Erreger! Weißt du, was du damit angerichtet hast?«
    »Warum sollte ich dir das erzählen?«
    »Weil ich dich dann am Leben lasse.«
    Er schaute mich an, seine Chancen abschätzend. Dann nickte er.
    »Da gibt’s eh nicht viel zu erzählen. Ich war eines Abends auf dem Weg nach Hause aus dem Pier 2. Ich hatte noch Lust auf einen Spaziergang und bin beim Hafen langgegangen. Da stand dieser Armeebus, darin lagen lauter Leichen. Dann hab ich einen Koffer gefunden, da war das Zeug drin. Dann ist eine Leiche aufgestanden. Im Hals eine der Spritzen, wie sie in meinem Koffer sind. Da wusste ich, das Zeug ist meine Fahrkarte in den Himmel. Also hab ich experimentiert. Schließlich kam mir die Idee mit den Häusern. Du brauchst nur Leute zu betäuben und ihnen das Zeug zu geben. Nach einem Tag geht es darin ab wie die Hölle.«
    »Das ist alles? Was ist mit einem Gegenmittel?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Kein Gegenmittel. Wenn ich eins hätte, hatte ich es schon lange eingesetzt. Als Druckmittel oder so, du verstehst?«
    Ich schrie: »Halt die Fresse!«
    Dann tötete ich ihn. Kein »Du verstehst« mehr. Dieses Mal aß ich nichts. Mein menschliches Ich hatte keinen Hunger. Aber mein beißendes Ich war nicht zu 100% verdrängt. Irgendwie schien Mehmets Spritze einen Teil des Biests in meiner Persönlichkeit verankert zu haben. Oder war es nur der normale Verlauf der Infektion, der bei mir gebremst durch die regelmäßige Medikation mit Kokain lediglich verzögert aufgetreten

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