Stählerne Schatten
ich wiederhole, nach Alarmcode rot. Alle Teamchefs treffen sich mit mir auf der Brücke. Ende der Durchsage.«
»Hey, Augenblick mal, Oberst!« sagte Masters. Die Techniker im Kontrollraum hatten sofort damit begonnen, ihre Geräte zu deaktivieren – nicht etwa nach Checklisten, sondern indem sie alle Kabelverbindungen und Stromstecker herausrissen. Ob Computersysteme dabei abstürzten oder beschädigt wurden, spielte keine Rolle, weil die Geräte ohnehin mit Sprengstoff vollgepackt über Bord gehen würden. Alle Schriftstücke wurden in rote Plastiksäcke gestopft, um durch den Reißwolf gejagt und verbrannt zu werden; alle Disketten kamen in ähnliche Säcke, um gelöscht und dann zertrümmert zu werden. »Sie haben Alarmcode rot ausgelöst, ohne mich auch nur zu fragen?
Schließlich sind das hier meine Geräte!«
»Jon, alter Kumpel, hören Sie mal ‘ne gottverdammte Sekunde auf, an Ihr Bankkonto zu denken«, sagte White, während er mithalf, die Geräte zur Vernichtung vorzubereiten. Sie waren in Transportbehältern aus Aluminium montiert, die Handlöcher und Kühlöffnungen aufwiesen; in alle diese Öffnungen konnten Halbpfundstangen des Plastiksprengstoffs C4 gesteckt werden. Durch Salzwasser aktivierte einfache Verzögerungszünder würden dafür sorgen, daß die Behälter einige Meter tief sanken, bevor die Sprengladungen detonierten. Die Trümmer der Geräte würden sehr, sehr schwierig zu finden sein.
Natürlich befanden sie sich in internationalen Gewässern und würden bald omanische Hoheitsgewässer erreichen, aber für White stand fest, daß die Iraner versuchen würden, irgendwelche Beweise dafür zu finden, daß die Valley Mistress ein Spionageschiff war. Sie würden vor keiner Seerechtsverletzung zurückschrecken, um zu bekommen, was sie wollten.
»Einer dieser iranischen Jäger braucht nur fünf Minuten, um uns mit einer Lenkwaffe zur Schiffsbekämpfung zu treffen und manövrierunfähig zu machen«, fuhr White fort, während er mit den Technikern die ersten von mehreren Dutzend Behältern zur Reling trug. »Zehn Minuten später könnte ein iranischer Hubschrauber ein Prisenkommando an Bord absetzen.
Und wieder eine Stunde später könnte eine iranische Fregatte längsseits kommen. Finden die Iraner dieses Zeug an Bord, werden wir als Spione weggeschleppt und sehen die Heimat nie wieder – falls sie uns nicht gleich erschießen.«
Aber Masters hörte nicht zu, »Lassen Sie mich wenigstens einige Daten übermitteln, einen Teil der Unterlagen retten«, protestierte er. »Dieser Einsatz ist als operative Erprobung gedacht gewesen, und ich versuche noch immer, Leistungsdaten zu sammeln.«
»In spätestens zehn Minuten ist alles Fischfutter«, stellte White fest, »Jon, an Bord darf nichts zurückbleiben, was verrät, daß die Mistress etwas anderes als ein richtiges Bergungsschiff ist. Wir haben schon genügend Zeug, das wir nicht verstecken können – beispielsweise das Luftraumüberwachungsradar und die… «
»Ich brauche nur eine Minute, um alles abzuspeichern«, behauptete Masters, drängte sich an den Technikern vorbei und begann wie wild eine Tastatur zu bearbeiten. »Ich sende die komprimierten Daten über den Satelliten, dann sind sie gerettet.«
»Jon, dafür ist keine Zeit mehr.«
»Lightfoot, Brücke«, sagte eine Stimme in Whites Kopfhörer.
»WLR meldet anfliegendes Radar, vermutlich das Suchradar eines Hubschraubers, geschätzte Entfernung vierzig Seemeilen, Peilung null-zwo-null, Geschwindigkeit hundert Knoten.«
Die beiden Systeme WLR-I und WLR-II an Bord der Valley Mistress waren passive Radarwarnempfänger, die auf feindliches Radar ansprachen.
»Viel Zeit bleibt uns nicht mehr, Leute!« rief White im Kontrollraum, ohne auf Masters zu achten, der weiter an seinem Terminal saß und tippte. »Uns bleiben noch ungefähr zehn Minuten, um dieses Zeug über Bord zu hieven, bevor sie auf Sichtweite heran sind. Danach muß der Rest durch die SDV-Luke raus.« Die Unterwasserkammer im Schiffsboden, durch die Swimmer Delivery Vehicles an Bord kommen konnten, ohne auftauchen zu müssen, gab ihnen die Möglichkeit, die letzten Geräte zu versenken, wenn die Iraner schon an Bord waren. Dadurch gewann Whites Besatzung kostbare Zeit.
In weniger als drei Minuten war der Kontrollraum leergeräumt – bis auf den Computer, an dem Masters saß. Aber White wollte nicht länger warten. »Schluß jetzt, Jon, verdammt noch mal!« verlangte er barsch.
»Bin gleich soweit«, sagte Masters.
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