Stählerne Schatten
auf dem linken Sitz der B-2A noch immer AC genannt wurde, war der »Aircraft Commander«
nicht wie andere ACs für den Erfolg des Einsatzes verantwortlich. Der AC mußte die Maschine fliegen und alle Systeme überwachen – in der B-2A bedeutete das, daß er der »blauen Linie« – der computererzeugten Kurslinie auf dem mittleren MDU in der unteren Reihe – folgte und auf Warn-, Vorsichts- und Alarmmeldungen des Bordcomputers reagierte. Jeder gute AC verfolgte den Einsatzverlauf und konnte den Einsatz vom linken Sitz aus fortführen, falls der Mission Commander ausfiel; obwohl die Systeme der B-2A ultrazuverlässig und redundant waren, mußte der AC darauf vorbereitet sein, notfalls vom linken Sitz aus Waffen einzusetzen, zu navigieren, Kontakt zu halten und die Abwehrsysteme zu bedienen.
Das verdammte Problem war jedoch, daß Jamieson sich das Air Vehicle 011 nicht zugetraut hätte. Der gegenwärtige MC, Patrick McLanahan, das ehemalige HAWC und die ISA-Techniker hatten dieses Scheißflugzeug so umgebaut, daß Jamieson sich auf der rechten Cockpitseite praktisch nicht mehr auskannte. In den letzten Tagen hatte er geübt, was er alles vom linken Sitz aus tun konnte, aber er wäre vermutlich nicht imstande gewesen, die Maschine im Einsatz zu fliegen und wie McLanahan mit Checklisten zu jonglieren. Bei diesem Flug hatte er bisher nicht mehr getan, als die Vorflugkontrollen durchzuführen, zu starten, zweimal ihren Tanker anzufliegen – erst östlich von Hawaii, dann nördlich von Diego Garcia im Indischen Ozean –, ihre Geschwindigkeit anzupassen, damit sie die Tanker pünktlich erreichten, und in den MDU-Seiten zu blättern, um sich die Zeit zu vertreiben. Und aus dem Fenster zu sehen, während sie der untergehenden Sonne nachjagten.
Langstreckenflüge in dem Bomber B-2A waren bequem und verhältnismäßig streßfrei, aber diese Maschine forderte ihre Piloten noch weniger als die Block-10- und Block-20-Flugzeuge in Whiteman. Die Navigation übernahm ein automatisches Navigationssystem mit zwei Inertialplattformen, die ihre Daten von einem Northrop Astro-Tracker erhielten – einem ursprünglich für den Aufklärer SR-71 Blackbird entwickelten Gerät, das selbst bei Tageslicht Gestirnshöhen zur Kursbestimmung messen konnte – und einem GPS-Empfänger zur Positions- und Geschwindigkeitsbestimmung. Damit konnte die B-2A auch ohne Radarbenützung bis auf wenige Meter genau navigieren.
Die Treibstoffversorgung aus den verschiedenen Tanks erfolgte automatisch, ohne daß irgendwelche Schalter betätigt werden mußten. Jamieson hatte so viel Vertrauen zu den Navigations- und Steuersystemen der B-2A, daß er unterwegs mehrmals ein Nickerchen gemacht hatte; allerdings hätte er nie zugegeben, daß er McLanahan zutraute, ihn als Piloten zu ersetzen, während er schlief. Die Sitze waren breit und bequem – im Gegensatz zu den meisten Schleudersitzen ACES II, die schmal und hart waren –, und im Cockpit war es sehr ruhig.
Alle halbe Stunde wurden Position und Sauerstoffvorrat kontrolliert, alle Stunde erfolgte eine Statusmeldung über Satellit, ansonsten hatte man wenig zu tun, bis das Zielgebiet erreicht war. Das Stabilisierungssystem des Flugzeugs – der spitze »Biberschwanz« am Heck des kurzen Rumpfs der B-2A – glich einzelne leichte Turbulenzen mühelos aus.
Jamieson wußte nicht, ob McLanahan jemals ein Nickerchen machte. Ging über Satellit eine Nachricht ein, war er da, um sie in Empfang zu nehmen; machte der Computer sie auf einen Weg- oder Kontrollpunkt aufmerksam, war McLanahan zur Stelle, um darauf zu reagieren. Jamieson benützte die chemische Toilette hinter dem rechten Sitz ziemlich oft: Er hielt nichts von der für Langstreckenflüge empfohlenen »ballaststoffarmen« Diät, sondern hatte zwei große Plastikbehälter mit Brathähnchen, Salamisandwiches, rohen Gemüsestäbchen, Obstsaft, Korinthenbrötchen, die er in der Mikrowelle der winzigen Bordküche neben der Einstiegsluke aufbacken konnte, und reichlich Kaffee mitgebracht. Im Gegensatz zu ihm hatte McLanahan nur Thermosflaschen mit kalten Proteingetränken, Kaffee und viel Mineralwasser dabei – und war trotzdem nur zweimal auf der Toilette gewesen.
Ihre Route führte über den Pazifischen und den Indischen Ozean – weit abseits der normalen Flugrouten, damit sie von keinem Verkehrsflugzeug gesichtet werden konnten. Da dieser Einsatz geheim war, brauchten sie keine Standortmeldungen abzugeben oder mit Bodenstellen zu sprechen, wenn sie
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