Stahlfront 3: Der zweite Buergerkrieg
Fliegerhorst Bärenhöhle, genaue Anschrift liegt bei den Akten, wird folgendes vorgeworfen: Am 20. April des Jahres 2010 nahm er als Pilot eines Langstreckenbombers der amerikanischen Luftwaffe am Überfall auf die Volksrepublik China teil. Gegen 23 Uhr warf er eine Strahlungswaffe, eine sogenannte Neutronenbombe, auf die Großstadt Schanghai ab. Durch diesen Angriff beziehungsweise durch seine direkten Folgen fanden fast 50 Millionen Chinesen den Tod - überwiegend Zivilisten. Dem Angeklagten wird somit ein Hauptkriegsverbrechen ebenso vorgeworfen wie ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir beabsichtigen, nicht nur die besondere Schwere der Schuld von diesem Gericht feststellen zu lassen, sondern auch die Verhängung der Todesstrafe ohne Möglichkeit der Begnadigung zu fordern .« Der Ankläger ging zu seinem Platz zurück und setzte sich wieder hin.
Mike stöhnte hörbar auf, doch von Galen drückte ihm die Hand fest, beinahe schon schmerzhaft auf die Schulter. »Bleiben Sie ruhig und sagen Sie kein Wort, genau so, wie wir es besprochen haben«, zischte er.
Dann erhob er sich und sah zur Richterbank. Der Vorsitzende ergriff das Wort: »Herr Verteidiger, Sie haben nun Gelegenheit, die Vorwürfe des Herrn Anklägers detailliert zu widerlegen. Ich finde allerdings in meinen Unterlagen keine Kopie der Liste mit den von Ihnen benannten Zeugen. Ich hoffe doch sehr, Sie versuchen aus dieser Schlamperei meines Stabes keinen Verfahrensfehler zu konstruieren. !«
»Es liegen weder eine Schlamperei noch ein Verfahrensfehler vor, Herr Richter. Die Verteidigung beabsichtigt keinesfalls, die von der Anklage vorgebrachten Tatsachenbehauptungen abzustreiten. Die Ereignisse des 20. April letzten Jahres haben sich ziemlich genau so abgespielt, wie von der Anklage dargestellt .«
Ein lautes Raunen ging durch die im Saal versammelte Presse, so daß sich Mike einen vernehmlichen Seufzer genehmigen konnte, ohne unangenehm aufzufallen.
Der General sah den Oberst streng an. »Dann bekennt sich ihr Mandant also schuldig, Herr Verteidiger ?«
»Keineswegs! Wir bestreiten nicht, daß Hauptmann McBain eine Neutronenbombe auf Schanghai geworfen hat. Wir bestreiten allerdings mit aller Entschlossenheit, daß es sich dabei um ein Kriegsverbrechen handelte .«
»Unerhört! Frechheit! Nazi !« waren einige der Rufe, die von Galen aus dem Zuschauerraum entgegenschallten.
Der vorsitzende Richter ließ sich allerdings nicht beeindrucken. »Ruhe, oder ich lasse den Saal räumen! Das ist ein Gericht und kein Debattierklub! Wer noch einmal ungefragt den Mund aufmacht, wird abgeführt und darf die nächsten zwölf Stunden in Einzelhaft darüber nachdenken, wie man sich hier zu benehmen hat .«
Wie aus dem Nichts erschienen plötzlich rund ein Dutzend sehr große und sehr muskulöse Männer in schwarzen Uniformen am Eingang, die Arme vor der breiten Brust gekreuzt. Diese Soldaten waren Mitglieder in der Athletikgruppe der Thule-Truppen und sahen entsprechend beeindruckend aus. Sofort war es still im Saal.
Der Richter wandte sich wieder an Mikes Verteidiger: »Herr Oberst, bitte fahren Sie fort !«
»Danke, Herr Vorsitzender. Um in diesem Prozeß zu einem gerechten Urteil zu kommen, müssen wir zuerst untersuchen, was überhaupt ein Kriegsverbrechen ist. Denn eigentlich handelt es sich bei dem Begriff um eine Tautologie. 8 Krieg ist letzten Endes immer ein Verbrechen, ja, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Trotzdem werden Kriege seit Anbeginn der Menschheit geführt. Denn Krieg ist eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, wie schon Clausewitz 9 erkannte. Und während man Verbrechen im Kriege oft, wenn auch leider nicht immer, ahndete, so blieb das Verbrechen des Krieges an sich doch stets ungesühnt.
Man kann es mit Fug und Recht als Bruch der Zivilisationsgeschichte bezeichnen, daß im vergangenen Jahrhundert die Siegermächte eines Krieges erstmals nicht damit zufrieden waren, ihre am Boden liegenden Gegner besiegt zu haben. Die Kriegsverbrecherprozesse der zweiten Hälfte der 40erjahre wurden von vielen Menschen als ein bewußter und gezielter Verstoß gegen seit Jahrtausende akzeptierte Selbstverständlichkeiten empfunden. Denn es wurden eben nicht nur Kriegsverbrechen abgeurteilt, sondern die Tatsache der Kriegführung durch den Gegner an sich.
Die Kriegführung der anderen Seite hingegen, die nicht davor zurückschreckte, ganze Staaten in Schutt und Asche zu legen und Atombomben wahllos auf wehrlose Städte zu
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