Stahlhexen
stiegen sie aus und gingen zu Fuß. Sally rutschte aus und lachte. Er sagte gar nichts. Ich sah, wie er stehen blieb und die Hand schützend vor die Flamme seines Feuerzeugs hielt, und wie dann schwarzer Zigarrenrauch durch die Schlucht landeinwärts wehte. Ich hörte, wie sie unmittelbar unter mir vorbeigingen. Erst das Knirschen der Kiesel, dann wieder Stille. Ich schaute über den Dünenrand hinweg. Jetzt war es fast vollständig dunkel und die Flut stieg. Draußen im Meer fiel mir etwas auf, aber ich wusste nicht recht, was das sein mochte. Ich beobachtete ja ohnehin den Strand.
Sie waren da unten auf dem Sand. Er zog sie aus; die lange Bluse und ihr Rock, alles lag ausgebreitet auf dem Strand. Er trug noch immer die Uniform. Ohne die glimmende Zigarre aus der Hand zu legen, streichelte er ihren Körper. Ich sah den roten Lichtpunkt. Ihre schöne Gestalt und die dunklen Zeichnungen auf ihrer Haut, alles lag frei und nackt an der Luft. Er nahm sich Zeit und betrachtete sie. Er sagte etwas, aber ich konnte es nicht verstehen. Ich sah, wie sie die nackten Beine um ihn schlang, wie sie ihn damit packte. Ihre Beine waren weiß wie die Krebszangen, die man zwischen den Kieseln am Strand findet. Ich sah, wie der rote Lichtpunkt seiner Zigarre durch die Luft flog und seine Uniformjacke denselben Weg nahm. Ich wandte den Blick ab und schaute aufs Meer. Irgendetwas war da draußen, da draußen im Flachen. Kleine Wasserfontänen brachen aus dem Wasser, und man sah, dass sich dort etwas Großes bewegte. Ich hörte, wie Sally dort unten auf dem Strand den Colonel beim Namen rief. Dann kam das Große im Wasser näher undich erkannte einen Wal. Seine Atemfontänen zischten. Der Wal hatte Angst; ich meine, einmal hat er mich direkt angesehen. Eine Weile hörte ich dem Wal zu. Der Wind wehte die Gischt herüber und die Kiesel wurden nass. Ich hielt mein Haar fest, damit es nicht aufwehte. Dann spähte ich wieder über den Dünenrand auf den Strand hinunter. Ich sah das Gesicht meiner Sally.
Mia Tyrone saß im Dunkeln in ihrer Wohnung und starrte einfach nur die Wand an. Draußen trieben Wolken über den Himmel, das Mondlicht brach sich in den Gewächshausscheiben des Botanischen Gartens, und durch den Regen hindurch drang ein Schimmer dieser Spiegelung bis in ihr Zimmer und legte sich in Streifen über die Decke.
Sie saß in einer Ecke auf dem Boden, die Knie angezogen. Auf dem Teppich lag ein von einem Boten überbrachter Brief der Bellman Foundation. Darin drohte man ihr juristische Konsequenzen an, sollte sie mit Dritten über irgendwelche Aspekte ihrer Arbeit bei Bellman sprechen. Außerdem wurden ihr Visum und ihr Mietvertrag, wie bereits mündlich mitgeteilt, für nichtig erklärt. Neben dem Brief stand eine zu einem Drittel geleerte Wodkaflasche, ein Schälchen mit ein paar Zitronenscheiben und ein Gefäß mit Eiswürfeln. Sie drückte das Whiskyglas an die Wange.
Sie konnte es nicht fassen. Da waren diese alten Säcke mit ihren rasierten Schädeln und ihren Harleys, die ihr ein Jahr lang in den Ausschnitt gestarrt und sie im Lift - natürlich immer ganz zufällig - anzüglich gestreift hatten. Nun würden die sie also doch noch schlagen, obwohl sie schon so kurz vorm Ziel stand und fast alle Beweise beisammen hatte, um ihnen eins vor den Latz zu knallen. Beweise, um das hässliche kleine Geheimnis lüften und die Zusammenarbeit von Bellman und dem Felwell College an einer schmutzigen Bombe anprangern zu können.
Das würde Bellman wirklich schwer treffen, dachte sie,als sie ihr Glas nachfüllte und eine Scheibe Zitrone hineinwarf. Bellman, Hüter der US-Luftwaffenindustrie. Sie musste sich nur vorstellen, wie die Typen die Zeitung aufschlagen und darin Fotos des Luftwaffenstützpunktes entdecken würden. Fotos, die sie, Mia, geschossen hätte. Hinter ihren großen Bürofenstern mit Blick auf den kleinen See würden die alten Säcke vor Wut schäumen.
Und jetzt sollte sie das Rennen verlieren?
Sie legte die Wange aufs Knie und dachte wieder an den Vorschlag, den Lindquist ihnen in dem überheizten Zimmer in Alconhurst gemacht hatte. Der Vorschlag lautete, dass Fletcher alles der US Air Force überlassen sollte. Die Air Force verfüge über ein ganzes Team von Spezialisten, hatte Lindquist erklärt. Fachleute, psychologisch geschulte Berater. Die sprächen Aspens Sprache und verstünden seine Probleme. Morgen würden sie nach Norfolk fahren, um ihn unter Kontrolle zu bekommen und ihm auf geeignete Weise Einhalt zu
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