Stahlhexen
Dokument gibt. Ein schriftliches Zeugnis, das beweist, was damals auf dem Luftwaffenstützpunkt vorgefallen ist. Nach und nach hat er alle Leute aufgespürt, die von der Sache wissen, und ist dabei ausgesprochen erfolgreich. Es ist fast so ...«, der Gedanke kam Fletcher in diesem Moment zum ersten Mal, »... als arbeite er für Sie. Jetzt mal ganz im Ernst: Arbeitet er vielleicht wirklich für Sie?«
Lindquist versuchte zu lachen und hielt sich dabei den schmerzenden Kopf. »Ein gewalttätiger, psychisch gestörter
Mann wie der? Den sollten wir für uns arbeiten lassen? Das ist doch Blödsinn.«
Draußen landete ein Flugzeug - zwei rote Lichtkegel tauchten hinter der regennassen Scheibe auf, und der Lärm war so laut, dass das Fenster klapperte. Lindquist wartete ab, bis wieder Ruhe herrschte.
»Nein, Aspen Slade arbeitet nicht für uns. Er ist ein verdammtes Problem, das wir in den Griff bekommen müssen. Sie beide könnten uns dabei helfen. Oder aber Sie halten sich aus allem heraus, bleiben bei Ihren eigenen Fehlinterpretationen und verbreiten Gerüchte, die nur unseren Feinden helfen. Falls Sie uns die Unterstützung verweigern, brauche ich die Konsequenzen wohl nicht noch mal zu unterstreichen. Fletcher, Sie erwartet für das Eindringen in unseren Sicherheitsbereich ein Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten. Und Tyrone, was Ihnen bevorsteht... nun. Ihre Aussichten auf eine neue Stelle sind, sagen wir mal, nicht gerade glänzend.« Er hielt inne und strich sich erneut über den Kopf. »Aber das können Sie beide hinter sich lassen. Sie können einen Strich unter die Vergangenheit ziehen, das würde sich doch so mancher wünschen.«
»Und was erwarten Sie von uns, Lindquist?«
»Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.«
Lindquist blieb mitten im Raum auf dem umgedrehten Stuhl sitzen und umriss seine Idee. Sie war ziemlich fantasielos: Das lag vermutlich an seinem militärischen Hintergrund. Außerdem wirkte sie nicht gerade praktikabel - da schlug wahrscheinlich die psychologische Ausbildung durch. Fletcher und Mia hörten sich die Sache an, dann stellte Fletcher einige Fragen. Lindquist erklärte noch ein paar Details und wiederholte die Vorteile, die damit verbunden wären. Mia schwieg. Dann gingen sie in den Regen hinaus. Der Fahrer in Jeans und Polo-Hemd fuhr mit seinem Zivilfahrzeug direkt vor der Tür vor und brachte sie dann nach Cambridge zurück. Die Scheibenwischer verwischten die Sichtauf die Lastwagenkolonnen, die sich noch immer mit Sandsäcken beladen an der Stadt vorbeiquälten. Keiner sagte ein Wort.
Ich grübelte eine ganze Weile darüber, wo er wohl mit ihr hinfuhr.
An Tagen, an denen die Flugzeuge nicht flogen, ging Sally immer früh vom Feld und ins Waschhaus. Wenn ich auch nach Hause kam, hörte ich sie leise singen und wusste, dass sie sich gerade das Haar auswrang. Dann stellte ich mich oben ans Fenster, bis ich den Jeep hörte. Es war Juli und abends lange hell. Die ersten Male blieb ich stehen und sah zu, wie es dunkel wurde. Wenn sie nachts nach Hause kam, musste sie an meinem Bett in der Küche vorbei. Ich merkte, dass sie nach Meer roch. Am nächsten Tag war immer Sand im Abflussrohr des Waschhauses. Nach einer Weile war mir klar, wo sie hingingen.
An einem Tag kehrte ich selbst früh vom Feld zurück. Ich hatte so eine Idee, wo ich hingehen musste, und lief zwei Stunden über die Felder auf den klaren Himmel über der Landzunge zu. Hinter dem Wald hielt ein Soldat mich an, ließ mich dann aber durch. Ich blickte mich um und sah, dass er mich beobachtete.
Es gibt eine Stelle auf der Landzunge, wo eine Art Schlucht oder tiefer Graben wie ein Hohlweg zum Meer hinunterführt. Die Seiten sind mit Stechginster und Weißdorn bewachsene Kieshänge. Zweimal am Tag dringt die Flut dort ein, und am Ende des Grabens kommt man zu einem kleinen Strand voll Kies und ein wenig Sand. Wenn man die Stelle nicht kennt, kann man sie nicht finden.
Früher als Kind bin ich manchmal mit Sally dorthin gegangen. Es war der einzige Ort, wo wir uns ausziehen konnten, ohne dass jemand uns sah, unsere nackte Haut.
Als ich dort ankam, wurde es schon dunkel. Ich legte mich in den Kiesdünen flach auf den Bauch. Das Meerwar grau. Der Wind fegte die Gischt von der Brandung. Nach einer Weile hörte ich ein Motorgeräusch auf der Straße, die über die Landzunge führte. Ich hielt den Kopf unten, sah den Jeep, der zwischen den Kieshängen durchfuhr, aber trotzdem. Als der Weg zu schmal wurde,
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