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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie.
    Ich folgte dem Hohlweg. Auf halbem Wege roch ich es plötzlich. Es stank. Da erriet ich, weshalb die Möwen da waren. Als ich weiterging, sah ich es auch. Es war ein gestrandeter Wal, ein kleiner Wal, der schon einige Tage tot war. Ich würgte ein wenig, ging aber ganz hinunter, und bereitete mich auf mein Vorhaben so vor, wie ich es geplant hatte. Dann stand ich neben dem Wal am Strand und blickte aufs Meer hinaus. Es war Ebbe, und im feuchten, sandigen Meeresboden waren kleine Tümpel zu sehen. Aus dem Wal sickerte etwas Dunkles dort hinein.
    Ich hatte die Kapuze des Dufflecoats über dem Kopf.
    Die Straße nach Peterborough lag nahezu verlassen da, übersät von umgerissenen Verkehrsschildern und von entwurzelten Bäumen gesäumt. Ein paar querliegende Stämme waren von Straßenbautrupps zersägt und an den Straßenrand geräumt worden, doch die meisten Bäume ragten noch immer kreuz und quer in den Regen.
    Der Wohnwagenpark war von Feldern umgeben, die seit Fletchers letztem Besuch überflutet worden waren - zu beiden Seiten erfasste der Scheinwerfer schimmernde, von Treibgut übersäte Wasserflächen. Am Tor des Wohnwagenparks folgten die grell leuchtenden Augen des angeketteten Wachhundes den im Matsch schlingernden Reifen von Fletchers Auto, bevor sie sich wieder einer mit Taschenlampen bewaffneten Familie zuwandten, die ihr Hab und Gut in einen Van packten: Töpfe, Pfannen und einen Kinderwagen. Vielleicht waren sie die letzten Bewohner, die sich in Sicherheit brachten, denn in keinem der anderen Wohnwagen brannte Licht. Fletcher hielt neben dem zweiten Caravan in der dritten Reihe.
    Alles sah ziemlich genau so aus, wie Fletcher es vor einpaar Tagen zurückgelassen hatte. Die Vorhänge waren noch immer zugezogen und das Fenster, durch das er Waynes Schlüssel in den Wohnwagen geworfen hatte, war noch immer angelehnt. Ein Reifen war inzwischen platt, aber sonst hatte sich nichts geändert.
    Fletcher ließ die Autoscheinwerfer an.
    Die Tür war abgeschlossen. Als sie dagegenhämmerten, hörte man die Schläge innen nachhallen, sonst rührte sich nichts. Fletcher stieß das Fenster auf, und durch die fleckigen Vorhänge erkannte er im Licht seiner Taschenlampe die Mikrowelle, eine Ecke des Betts und ein paar Bierdosen. Sonst nichts, nur ein süßlich-fauliger Geruch, den er aus seiner Zeit bei der Polizei kannte, stieg ihm in die Nase.
    Die Tür sprang beim zweiten Tritt auf, drinnen fiel klappernd der Riegel zu Boden. Der Gestank war bestialisch. Fletcher blieb auf der Türschwelle stehen und leuchtete alles mit der Taschenlampe ab. Auf der Küchentheke lagen Clozapin-Tablettenstreifen verstreut und der Inhalt des Küchenschranks war auf den Tisch geräumt. Fletcher trat ein. Auf dem Wandbord vor ihm war alles unberührt - dort lag eine Telefonliste mit sozialen Einrichtungen und eine Weihnachtskarte.
    Wayne lag lang ausgestreckt neben dem Bett auf dem Boden, auf dem Rücken, wie man aus der Position seiner Hände und Füße schließen konnte, obgleich das Gesicht nicht zu sehen war. Jemand hatte den Klapptisch aus der Wand gerissen und auf ihn gelegt. Auf dieser Unterlage war dann eine Pyramide kiesgefüllter Kunststoffsäcke aufgeschichtet worden. Ein Dutzend, schätzte Fletcher. Im Boden waren ein paar tiefe Kratzspuren, an die er sich vom letzten Mal nicht erinnerte - vielleicht Waynes allerletzte Gesten.
    Fletcher befühlte Waynes Hand - sie war eiskalt.
    Neben sich hörte er Mia schwer atmen.
    »Was zum Teufel ist ihm zugestoßen?«, fragte sie.
    »Sieht so aus, als hätte Aspen ein Mittel gesucht, ihn zum Reden zu bringen.«
    »Wie lange ist er schon tot?«
    »Über einen Tag.« Fletcher sah sie an. »Deine erste Leiche?«
    »Die dritte.« Er warf ihr noch einen Blick zu. »Ein Autounfall in der Nähe unseres Hauses, als ich sechzehn war. Zwei Leute waren tot.«
    »Hast du irgendwas angefasst?«
    »Nein.«
    »Dann sollten wir beide darauf achten, dass es so bleibt.«
    Die einsame Weihnachtskarte auf dem Wandbord zeigte zwei Kaninchen, die einen lachenden Schneemann auf einem Schlitten zogen. Fletcher verdrehte den Kopf, um in die leicht aufgeklappte Karte hineinzusehen.
    Für Wayne von Mum und Dad. Bitte lass öfter von dir hören.
    »Aspen hat Wayne zerquetscht, vermutlich langsam. Er wusste, das Wayne irgendetwas aufbewahrte.«
    »Meinst du, Wayne hat es preisgegeben?«
    »Es gibt hier nicht allzu viele Verstecke.«
    »Du warst doch schon mal hier. Hat sich irgendwas verändert? Tom?«
    Fletcher

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