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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
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eingezeichnet waren: Dutzende Flugfelder, deren Start- und Landebahnen zusammen mit den Rollwegen jeweils eine Art Dreieck mit verlängerten Schenkeln bildeten, das an einen auf der Seite liegenden Buchstaben A erinnerte. Der nächstgelegene Flugplatz be-fand sich westlich von Cambridge nur einige Meilen entfernt bei Longstanton.
    Aufmerksam suchte er die Karte nach den liegenden As ab.
    Er blätterte die anderen Bücher durch. Die wuchtigen amerikanischen Bomber, die »Fliegenden Festungen« waren ganz auf Stromlinienform getrimmt und schwer gepanzert, ein stilistischer Vorläufer der großen amerikanischen Automobile der 1950er Jahre, die später in denselben Fabriken aus dem wiederverwerteten Metall der Bomber gebaut wurden. Die kleineren Jagdflugzeuge - vor allem der »Mustang« -, die den Bombern Begleitschutz gaben, bestanden aus einem hell glänzenden Metall, das in der Sonne schimmerte.
    Es gab Fotodokumentationen über die Freizeitaktivitäten der Flugzeugbesatzungen: Sie stakten mit Stechkähnen über die Gewässer Cambridges, halfen den einheimischen Bauern bei der Ernte oder führten verblüfften Zivilisten auf einem Dorfanger amerikanische Sportarten vor. Ein Buch beschrieb, wie die Amerikaner ihre Flugzeuge schmückten. Auf jeder Flugzeugnase prangte als Glücksbringer ein Bild: manchmal eine Comicfigur oder ein Sportstar, doch meistens eine üppig sinnliche Frau - die Ehefrau, Freundin oder Traumfrau des Piloten. Es wurde ausgeführt, dass diese Bilder als sogenannte Nose Art bekannt waren - eine eigene Pop-Art-Tradition für sich. Die teils in Farbe, teils in Schwarz-Weiß abgedruckten Bilder, die eine ganz eigenartige Kraft hatten, erzählten auf unbeholfene Weise von sinnlicher Sehnsucht.
    Was hatte Wayne Denny noch gesagt? Es war nicht die Art von Buch, die man in einer College-Bibliothek findet. War Daisy Wayne vielleicht sogar beim Lesen eben dieses Buches hier aufgefallen?
    Auf dem genieteten Stahlblech einer der Bombernasen prangte zum Beispiel das Bild eines Mädchens im leuchtend roten Badeanzug, deren Brüste gen Himmel wiesen undderen Gesicht so geneigt war, dass sie in die Plexiglasklappe des vorderen Maschinengewehrs schaute. Mit schlanker Hand strich sie ihre dunkle Haarmähne glatt, während sie in der anderen Hand eine altmodische Coca-Cola-Flasche mit Strohhalm hielt. Der Name des Mädchens - Sweet Sweet Susie - war in Schreibschrift auf den Rumpf gemalt. Fletcher fragte sich, wer das gewesen sein mochte - eine reale Frau oder doch nur eine Fantasie des Künstlers -, und wie es, falls sie real war, schließlich mit ihr weitergegangen war.
    Noch ein Frauenbild auf der Nase eines der »Mustang«- Jagdflugzeuge fiel ihm auf: eine ruhende Nackte von hinten, deren lange Beine in ein hübsches Hinterteil übergingen und die den Betrachter mit einem Zwinkern ihrer dichten Wimpern über die Schulter ansah, während sie mit ausgestreckter Hand über ihren Kopf nach dem Auspuff langte. Ihr Körper war mit dunklen Nieten bemalt, als sei sie selbst aus Metallblech gefertigt, und darunter stand - in Blockbuchstaben - ihr Name: Steel Witch.
    Stahlhexe. Eine Hexe. War das nur Zufall? Die Bildunterschrift lautete einfach: Pilot und Einheit unbekannt.
    Er blätterte das Buch durch - Hunderte von Seiten mit Nose Art. Manche Bilder waren sehr ungelenk, manche künstlerisch professionell, und in den Namen steckte die bittersüße Erinnerung an vergangene Liebe oder Lust. Er klappte das Buch zu und nahm sich das nächste vor: Erinnerungen von Dorfbewohnern aus Cambridgeshire an die amerikanischen Soldaten.
    »Die Amerikaner waren ganz anders als die Menschen, die wir bisher kannten. Sie waren so schick, oder vielleicht sollte man eher schneidig sagen. Es hieß, sie seien sehr gut bezahlt. Die meisten von uns unverheirateten jungen Frauen wollten gerne einen amerikanischen Freund - aber wir kannten auch ihren Ruf, dass sie in jedem Dorf im Umkreis ihres Stützpunktes ein Mädel sitzen hatten.
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    Und in einer Fußnote: 1944 fehlte in einem Drittel der ausgestellten Geburtsurkunden der Name des Vaters.
    Fletcher hielt inne. Dann klappte er das Buch zu und griff wieder nach dem über die Nose Art. Irgendetwas ließ ihm keine Ruhe; etwas, das sich immer wieder vor sein inneres Auge geschoben hatte, während er die Seiten mit den farbigen Abbildungen durchblätterte. Er fand die Nackte, die den »Mustang« zierte, von dunklen Nieten gezeichnet, und das Zwinkern im Auge war so raffiniert wie vor

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