Stahlhexen
fertig war, trat sie zum Weißdornbusch.
»Wohin gehst du, Bessie?«
»Ich gehe dorthin, wo ich gehängt werde.«
»Nein, Hängen ist nichts für dich.«
»Ich werde nicht gehängt?«
»Nein, du wirst gequetscht, du Hexe.«
»Gequetscht?«
Bessie wusste nicht, was das bedeutete.
Granny hat gesagt, das wäre eine alte Methode aus den Zeiten der Inquisition. Die Männer holten zwei kurze Holzbretter herbei, legten eines davon auf den Weg, mittenin den Staub, und traten es fest. Sie forderten Bessie auf, sich daraufzulegen, mit dem Gesicht nach oben. Sie tat wie geheißen, begann aber zu zittern, vielleicht weil sie erriet, was ihr bevorstand. Ihr Kleid wurde ganz staubig. Der Hexenjäger ritt auf seinem Pferd heran, blieb aber im Schatten, den das Haus warf, und sah von dort zu.
Sie legten das andere Brett auf Bessie drauf. Es wurde so befestigt, dass es unmittelbar unter ihrem Kinn endete, damit man ihr Gesicht noch sehen konnte. Das Brett ging über Bessies Brust und Bauch und endete zwischen ihren Beinen. Es zitterte, weil sie zitterte. »Ich möchte gehängt werden«, rief sie.
Der Hexenjäger streichelte sein Pferd.
Dann fingen sie mit dem Quetschen an. Die Männer holten einen Spaten und schaufelten so viel Erde in Säcke, dass ein einzelner Mann jeden davon nur mit Mühe tragen konnte. Sie legten den ersten Sack auf das Brett und traten zurück. Bessie versuchte zu schreien, aber das Gewicht presste ihr die Luft aus der Lunge, so dass sie nur ein grelles Wimmern herausbekam. Mit den Händen versuchte sie, das Brett wegzustoßen, doch das war nicht möglich. Der zweite Sack wurde unmittelbar neben den ersten gelegt, hat Granny gesagt. Bessies Fingernägel rissen Splitter aus dem Brett und die Laute, die aus ihrem Mund drangen, machten das Pferd scheu.
Der Hexenjäger beruhigte das Pferd, und die Messingbeschläge des Zaumzeugs hörten auf zu klirren.
Granny hat gesagt, bevor der dritte Sack dazukam, schlug Bessie die Augen auf und heftete den Blick auf den Hexenjäger. Er schaute zurück, kauend. Dann wurde der Sack auf die anderen Säcke gelegt, und Bessie riss ihn mit den Händen auf und kratzte Erde heraus, um das Gewicht zu verringern. Einige Handvoll Erde rieselten auf den Weg.
Die Männer sahen den Hexenjäger an. Er sagte nichts.
Alles war still, nur Bessies geräuschvoller Atem war zu hören und der Wind, der über die Weide pfiff. So ging es eine halbe Stunde lang. Einer der Männer schöpfte eine Handvoll Wasser aus einer Pfütze und schüttete es Bessie in den Mund. Sie versuchte zu trinken. Die Männer blickten erneut auf ihren Herrn. Er kratzte sich im Schritt und spuckte ein paar Mohnsamen aus. Dann nickte er.
Auch der letzte Sack brachte sie nicht um. Er drückte sie in den Staub, so dass es aussah, als würde sie in der Erde versinken, hat Granny gesagt. Ihre Arme und Beine zappelten und die Muttermale auf ihrer Haut waren jetzt alle zu sehen. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, Windstille trat ein, und es war, als würde Bessie etwas sagen. Der Mann, der ihr Wasser in den Mund geschüttet hatte, blickte zum Hexenjäger auf, bekam aber keine Antwort. Da nahm er den Spaten und schlug damit ein einziges Mal auf Bessies Kopf.
Vom Hausdach flogen Krähen auf.
Es war dunkel, und Cambridge befand sich wieder in der Eiszeit. Die Temperaturen waren weiter gefallen, die Luft knisterte vor Kälte und die lilienförmigen Zinnen auf den Mauern des All Saints Colleges glitzerten von frischem Eis. Fletcher trat an der Kreuzung der Sidney Street von einem Fuß auf den anderen - Ecke Sidney und Jesus hatte Mia Tyrone ihren Treffpunkt sonderbarerweise genannt, als läge diese Kreuzung nicht mitten in einem Gewirr mittelalterlicher Sträßchen, sondern in Amerika. Trotz des Gummiprofils seiner Stiefel und seines nordpoltauglichen Parkas wünschte Fletcher, er wäre zu Bellman gefahren und hätte Mia mit dem Auto abgeholt. Aber er sagte sich, dass Mia sicher einen guten Grund für diesen Treffpunkt hier hatte. Vielleicht wollte sie einfach nicht gern auf dem Firmengelände sein, wenn sie Fletcher die Sachen aus Nathan Slades Karton übergab.
Es wurde 19 Uhr, und später.
Fletcher ging ein paar Meter in die All Saints' Passage und betrachtete das Schaufenster eines Antiquariats. Alte Land- und Seekarten, Ankauf und Verkauf. Für Seekarten galt derzeit ein Preisnachlass, nur noch im Februar. Naja, er konnte sich beherrschen. Er ging wieder zur Straßenkreuzung zurück und wartete.
Um acht Minuten
Weitere Kostenlose Bücher