Stahlhexen
aus. »Hören Sie, wir müssen uns kurz unterhalten.«
»Hier?«
»Fällt Ihnen etwas Besseres ein?«
Der Mann wies über die Felder. Hier und dort waren weitere Betonpisten zu sehen, die sich kerzengerade durch die Winterrüben zogen und in einiger Entfernung schnitten. Dahinter zeichnete sich ein hoher, aber halb zerfallener Backsteinturm vor dem Himmel ab, aus dessen großen, leeren Fensterhöhlen Baumäste ragten, um die ein paar Krähen flatterten.
»Das ist ein Flugfeld aus dem Krieg«, sagte Fletcher.
»Ein Luftwaffenstützpunkt der Achten US Army Air Force, erbaut in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Stützpunkt ist baugleich mit Alconhurst, eine Art Zwilling. Alconhurst besteht bis heute, dieser Stützpunkt wurde geschlossen. Angeblich soll es hier spuken. Mit Gespenstern auf den Landebahnen und allem Drum und Dran. Aber man kann hier noch ziemlich gut fahren. Man rast einfach mit seinem hübschen, kleinen Auto über die Piste, und kein Hahn kräht danach.« Er lachte. »Glauben Sie etwa, alle US- Luftwaffenstützpunkte sind so? Nein, und schon gar nicht die noch aktiven. Alconhurst auf keinen Fall.«
»Haben Sie auch hier eine Kamera auf mich gerichtet?«
»Eine Kamera?« Lindquist betrachtete die Krähen, die um den alten Tower kreisten. »Wir sind ein friedliebendes Volk, Mr Fletcher. Wir suchen keinen Streit. Was haben Sie eigentlich für ein Problem mit uns?«
»Wie Sie inzwischen wissen, gibt es da einen gewissen Aspen Slade.«
163Lindquist rieb sich nachdenklich die Nase. »Sie sprechen von Nathans und Cherelles Sohn?«
»Genau. Er stellt eine Bedrohung für meine Familie dar.«
»Ach ja?« Lindquist stieß mit dem Fuß eine Scheinwerferscherbe über den Beton.
»Übrigens, laut Cherelle hat Aspen versucht, sich bei der Air Force zu verpflichten. Dort habe man ihn jedoch wegen psychischer Probleme abgelehnt. Aber was Cherelle mir gesagt hat, wissen Sie wohl ohnehin?«
»Wollen Sie, dass ich diesen Aspen überprüfen lasse, seine Akte heraussuche?«
»Das wäre eine große Hilfe.«
»Und dann soll ich Ihnen wohl Bescheid geben und Ihnen eine Kopie schicken lassen, was? Hören Sie mal, Fletcher. Wir kennen doch beide den wahren Grund, aus dem Sie hier sind.«
»Und der wäre?«
»Jetzt mal raus mit der Sprache.« Lindquist trat die nächste Scherbe weg. »Sie und Daisy Seager.«
»Ich habe Daisy Seager persönlich gar nicht gekannt.«
»Ach ja? Dann will ich Ihnen mal etwas sagen. Ich weiß, wohinter Daisy her war, und Sie wissen es auch. Ich weiß, was sie im Internet recherchiert hat.«
»Nämlich?«
»Ach, sieh an, er hat keine Ahnung. Daisy hat nach den Standorten amerikanischer Luftwaffenstützpunkte gesucht. Jede Recherche dieser Art löst einen Alarm aus, dem wir nachgehen. Vor einigen Monaten sind wir auf Daisy aufmerksam geworden.«
»Und dann taucht Aspen Slade auf und nimmt sich ihrer an. Das ist ja interessant.«
»Was ist denn mit Ihnen, Fletcher? Mit Ihren Interessen? Müssen wir uns da auch Sorgen machen?«
»Wer waren die Stahlhexen?«
Lindquist spähte zu den Wolken hinauf. Inzwischen lie-ßen sie nur noch vereinzelte Sonnenstrahlen durch und der Himmel nahm zusehends ein dunkles Gewittergrau an.
»Hier wird es eine Überschwemmung geben. Wirklich schade um das Land.« Lindquist strich sich über die Uniformjacke und glättete die Taschenklappen. »Wissen Sie eigentlich, was Sie gerade angestellt haben? Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung? Sie haben das Sicherheitssystem einer amerikanischen Militäreinrichtung durchbrochen.«
»Ich habe eine alte Freundin der Familie besucht. Und zwar mit einem Passierschein.«
»Sie haben sich mit einer Lüge Zutritt verschafft und uns zu Ihren eigenen Zwecken ausspioniert. Wissen Sie, was mit Leuten wie Ihnen passiert? Leuten wie Ihnen steht ein ganz übler Trip bevor.«
Am Horizont hob ein kleiner, zivil wirkender Jet vom Flugplatz Alconhurst ab und stieg vor den drohenden Wolkenbänken aufwärts. Diesen Start konnte Lindquist unmöglich so getimt haben, doch er unterstrich die Worte des Amerikaners nachdrücklich.
»Sie drohen mir? Womit denn?«
»Kennen Sie die Methode >Auslieferungsersuchen<, Mr Fletcher? Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Gerade haben wir die Auslieferung eines jungen Briten erwirkt, und wissen Sie, was der gemacht hat? Er ist ins Netzwerk des Pentagon eingedrungen und hat dort auf einem Computer eine Botschaft hinterlassen, nämlich den Satz: Dieser Computer ist nicht sicher. Er
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