Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
wusste nicht, dass Fletcher nach Einbruch der Nacht die Stahlhexen vor sich sah, dass er ihnen in die Augen blickte und allmählich begriff, welche Macht sie über einen so gestörten und einsamen Mann wie Aspen Slade besaßen.
    Wir waren das letzte Dorf, das unter den Prozessen leiden musste, hat Granny gesagt.
    Im nächsten Dorf, in das der Hexenjäger einritt, hatten die Leute schon gehört, was er anrichtet. Sie rotteten sich gegen ihn zusammen. Sie spuckten und warfen Steine. Der Hexenjäger ließ sein Pferd nach allen Seiten ausschlagen. Seine Männer machten sich dünne. Sein Pferd wurde in Norwich an einen Metzger verkauft.
    Die Dorfleute banden den Hexenjäger auf ein Brett und stopften ihm das Maul mit seinen Pergamenten. Sie schleppten ihn in den Mühlenbach, bewarfen ihn mit Müll und sahen zu, wie er zappelte und um sich schlug. Er ging einmal unter und dann ein zweites Mal. Bs wurde schon Abend, und jemand schleppte einen Pflasterstein heran,watete ins Wasser und ließ ihn auf seine Brust fallen. Die Leute lachten. Der Hexenjäger ging zischend unter. Sein Gesicht war weiß wie Fischfleisch, als er ins Wasser tauchte. Blasen stiegen auf und zerplatzten an der Oberfläche. Das Wasser war aufgewühlt, und man konnte kaum etwas sehen. Er wurde nie wieder gesehen, hat Granny gesagt.
    Am nächsten Tag suchten sie den Mühlenbach mit Schleppnetzen ab, fanden ihn aber nicht. Die einen meinten, er sei weggespült worden und ertrunken. Die anderen erklärten, er sei selbst ein Hexer und das Wasser habe ihn in der Nacht wieder freigegeben. Granny hat gesagt, dass sie weiß, wie es wirklich war: Er löste seine Fesseln und schwamm flussabwärts davon, wartete die Dunkelheit ab und schlug sich dann durch die Felder davon. Fing irgendwo anders ein neues Leben an: neuer Name, neue Umstände. Ein neuer Ort, wo keiner ihn kannte.
    Unser eigenes Dorf war da allerdings schon zerstört. Von den ehemals drei Häusern blieb nur ein einziges übrig, unser eigenes Haus, das noch heute steht. Die Steine der anderen Häuser sind noch hier, sie sind in den Hofmauern und im Nebengebäude verbaut. Und unsere Familie ist hier geblieben, hat Granny gesagt. Sie hat gesagt, dass wir immer hier bleiben und nie weggehen werden. Dann ist Granny gestorben, -und jetzt sind nur noch wir beide übrig.
    Ich erinnere mich, wie ich nach dem Begräbnis zu meiner Schwester sagte: »Wir werden zusammen hier bleiben, bis wir zwei alte Damen sind, nicht wahr, Sally?«
    Aber sie hat nicht geantwortet.
    In der Ferne sah man das Wasser der Great Ouse als schwarze Linie dahinströmen, die die Felder begrenzte. Aus der Nähe erwies Charlie Fenners Werkstatt sich als kleiner Flugzeugschuppen aus Stahlblech, der sich als eckiger Klotz vor dem düsteren Himmel abhob. Als Fletcher ankam,rutschte gerade eine Platte vereisten Schnees vom Dach und zersprang krachend auf dem Boden.
    In dem Schuppen war einiges los: Die Fenster waren hell erleuchtet und der Krach, der nach draußen drang, machte Anklopfen von vornherein sinnlos - es war irgendein Gerät, dessen zischender Lärm immer wieder anstieg und abschwoll.
    Fletcher stieß die Tür auf.
    Ihn empfing der Geruch von Öl und Farbe und das Heulen eines elektrischen Motors. Der Raum war etwa so groß wie eine Squash-Halle, die Wellblechwände wurden von Bodenscheinwerfern angestrahlt und es standen ein altes Gasheizgerät, drei Plastikstühle und eine lange Werkbank darin, auf der alte Motorkomponenten und allerlei Kleinteile lagen - jedes einzeln etikettiert. An der Werkbank lehnten schraubenartig gedrehte Propellerblätter, ein altes Gummirad, das noch an einem Teil der hydraulischen Aufhängung befestigt war und ein Stück genietete Flugzeug-Außenhaut. Die Werkzeuge steckten ordentlich aufgeräumt in Haltern oder waren in geölte Lappen eingeschlagen.
    In der Mitte des Raums stand jemand im Overall, vor dem Gesicht eine Schutzmaske und in der Hand ein elektrisches Sandstrahlgerät, um das metallische Staubteilchen herumschwirrten. Er sah Fletcher an, stellte das Gerät aus und nahm die Schutzmaske ab.
    »Ja?«
    Es war kein Mann, sondern eine Frau Ende dreißig. Sie trug das kurz geschnittene Haar rot gefärbt, hatte ein flächiges Gesicht, kleine, sehr grüne Augen und wirkte erschreckt.
    »Sind Sie Charlie Fenner?«, fragte Fletcher.
    Die Frau schluckte. »Ja.«
    »Ich bin Tom Fletcher.«
    »Kommen Sie von der Polizei?«
    »Nein.« Und aus irgendeinem Grund, vielleicht, weil sie so verängstigt aussah,

Weitere Kostenlose Bücher