Stahlhexen
sich für etwas interessiert, das mit der US Air Force in Zusammenhang steht.«
»Mit der Air Force, na so was. Womit denn zum Beispiel?«
»Du weißt natürlich, was Nose Art ist, oder? Also, Daisy hat sich für Nose Art aus dem Zweiten Weltkrieg interessiert, und zwar für Bilder von Mädchen auf »Mustang«- Jagdflugzeugen. Es ging ihr um die sogenannten Stahlhexen. Und ich glaube, dass auch meine Mutter hinter irgendwas her war, das mit dem Krieg zu tun hatte.«
Cherelle inhalierte und atmete den Rauch wieder aus. »Hinter was soll sie denn her gewesen sein?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte es irgendwas mit den Luftwaffenstützpunkten zu tun.«
»Ach ja? Und warum sollte sich deine Mutter für so was interessiert haben?«
Wie hatte Mia das gestern ausgedrückt? Die offene Frage, die Lieblingsmethode der Psychotherapeuten. Und der Schnüffler. Natürlich war es möglich, dass Cherelle einfach nur höfliches Interesse an einer alten Freundin zeigte. Oder aber sie ermutigte ihn zum Reden, um herauszufinden, wie viel er wusste. Er schaute sich im Zimmer um: einfache Regale, eine Kommode mit Porzellanfigürchen, die vibrierten, wenn am Himmel Flugzeuge vorbeidonnerten, und ein paar gerahmte Poster.
»Das wollte ich eigentlich dich fragen. Du und Nathan, ihr wart ihre Freunde bei der US Air Force. Ihr habt doch bestimmt darüber gesprochen?«
»Nein, ich glaube nicht. Vielleicht hat sie sich einfach gern mit solchen Themen beschäftigt. Vermutest du noch aus anderen Gründen, dass sie sich für die Air Force interessierte?«
Er senkte die Stimme. »Wieso machst du das?«
»Ich...« Sie hielt inne, und er dachte, sie legte sich die nächste offene Frage zurecht. Aber dann schüttelte sie nur den Kopf.
»Danke für die Einladung, Cherelle. Ich helfe dir nochschnell beim Abwasch.« Er stand auf und griff nach den Kaffeetassen.
Sie blickte überrascht auf. »Das ist nicht nötig.«
Doch er ging in die Küche und stellte die Tassen klirrend neben der Spüle ab. Sie trat in die Tür, vom verqualmten Licht des Wohnzimmers umrahmt, und betrachtete ihn. Er nahm eine seiner Visitenkarten heraus und schrieb auf die Rückseite: Ist eine versteckte Kamera im Zimmer?
Er zeigte ihr die Karte.
Sie schaute die Worte an, dann wieder ihn, und ließ keinerlei Regung erkennen.
Er nahm eine neue Karte und schrieb: Aspen will meine Mutter ermorden. Hilf mir.
Sie blickte auf die Worte und sah wieder ihn an.
Mit ganz normaler Stimme sagte sie: »Ich wasche die Tassen schnell selbst ab.«
Und dann trat sie ganz nah an ihn heran, legte ihm die knochige Hand auf die Schulter und reckte sich so dicht an sein Ohr, dass ihr brüchiges Haar ihn am Kinn streifte.
»Deine Mutter hat das alles selbst in Gang gesetzt. Als sie diese alten Sachen aufgewühlt hat.«
»Wie kann ich Aspen aufhalten?«
»Lauf, Tom«, flüsterte sie. »Rette dich selbst.«
Das heisere Kratzen ihrer verrauchten Stimme, ihr nach kaltem Rauch stinkender Atem. Wie eine Hexe, dachte Fletcher, als er die Resopaltür hinter sich zuzog.
Mia Tyrone schaltete ihren Computer aus - Daisy Seager war also tot aufgefunden worden. Ungewöhnliche Umstände: Was genau bedeutete dieser Ausdruck hier in England?
Sie beobachtete den Hausmeister dabei, wie er Nathans Sessel aus dem Nachbarbüro bugsierte. Es war ein Kampf, weil sich die verchromten Rollen des Sessels im Türrahmen verklemmten und er mühsam hochkant herausgehoben wer-den musste. Doch nun war das Büro für Nathans Nachfolger bereit, wer auch immer das sein mochte. Vermutlich wieder irgend so ein Expilot über fünfzig wie die anderen auch. Wie es wohl wäre, die Bellman Foundation an den Pranger zu stellen - den ganzen Haufen zu demütigen, fragte sie sich.
Ihr Telefon läutete. Ein kurzfristig in einer Stunde anberaumter Termin mit der Personalabteilung.
Also, was hat das eigentlich alles zu bedeuten, diese Sache mit Nathan Slade und Daisy Seager?
Fletcher fuhr über die kurvenreiche A14 nach Cambridge zurück. Im Rückspiegel sah er, wie sich am Horizont dichte Wolken türmten, in allen Richtungen. An den Rändern noch von der Sonne rötlich beschienen, wurden sie zur Mitte hin immer dunkler. Auf den ersten zwei Meilen fiel Fletcher das Wolkengebirge in seinem Rücken mehrmals ins Auge. Was daran lag, dass ein großes Fahrzeug aus dem Sicherheitsbereich beim Torhaus herausgeschwenkt war, als er den Stützpunkt verließ, und ihm seitdem mit drei Wagen Abstand folgte.
Fletcher warf wieder einen
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