Stahlhexen
waren halb zugeschwollen und aus einer Wunde in seiner Stirn rann ihm Blut über die Wange. Mia sah, wie er mit seinen verletzten Augen versuchte den Archivar zu fixieren, der hinter dem Schreibtisch stand, ganz dicht an ihn herantrat und die Hand fordernd ausstreckte.
»Die DVD.«
Auch seine Stimme klang heiser, und irgendwie roch er beißend scharf. Wie Pfeffer.
Tim Redshaw zog den Schlüssel aus der Tasche. Ein leises Klimpern, dann schloss er die Schreibtischschublade auf.
»Tut es weh?«
Cathleen hatte gerade aus Kreta angerufen. Sie starrte ihn besorgt an, aber er selbst fand, dass er schon wieder ganz manierlich aussah: Die Augen waren nicht mehr so verschwollen, und ein polnischer Arzt in der Burleigh Street, ein Bekannter, hatte ihn mit sieben Stichen genäht, sich vergewissert, dass er keine Gehirnerschütterung hatte, und ihn mit irgendwelchen osteuropäischen Schmerzmitteln vollgepumpt, von denen ihm jetzt der Schädel brummte.
»Er hat mich im Licht einer Öllampe genäht, hier ist schon wieder der Strom ausgefallen.«
»Und ich dachte schon, die Kerzen wären der Romantik wegen. Zur Versöhnung.«
Auf seinem Schreibtisch standen zwei brennende Kerzen, die flackernde Schatten in sein Büro warfen, während draußen in der Green Street vollkommene Dunkelheit herrschte und der Regen leise plätscherte. Auf dem Bildschirm sah er auch auf ihrem Fenster Regentropfen. Cathleen hatte sich in ein Bettlaken gehüllt, saß im Schneidersitz auf dem Bett und machte Zehengymnastik.
»Ah, Cathleen, trägst du einen Slip?«
Sie begann, die Beine zu öffnen.
»Cathleen, du solltest dich besser anziehen.«
»Das sieht dir aber gar nicht ähnlich. Warum denn?«
»Weil ich glaube, dass die US Air Force mein Telefon abhört.«
Am Ende der dunklen Green Street stand eine Telefonzelle - und es kam ihm wie eine Zeitreise in die Vergangenheit vor, als er die betrat und sofort vom Geruch der siebziger Jahre umfangen wurde. Ein paar Münzen später hatte man ihn dann auch wieder zu Cathleens Hotelzimmer durchgestellt. Es gab Störungen in der Leitung, ein Knistern und Rauschen. Falls die Amerikaner auch die Telefonzelle abhörten, würden sie sich immerhin anstrengen müssen - und auch nichts Hübsches zu sehen bekommen.
Als er seinen Bericht beendet hatte, fragte Cathleen: »Soll das heißen, dass Slade dir entwischt ist? Er ist einfach gegangen?«
»Ich war bewusstlos. Da ist er verschwunden. Ich konnte mir nur noch den Film beschaffen, mehr war nicht drin. Aber jetzt kann ich ihn mir noch nicht mal richtig anschauen. Ich sehe zur Zeit nur ganz verschwommen.«
»Und wie bist du dann zum Arzt gekommen?«
»Mia Tyrone hat mich in meinem Auto hingefahren.«
»Und wo ist sie jetzt?«
»Keine Ahnung, vermutlich bei sich zu Hause.«
»Okay. Also, was zum Teufel hatten die damals auf diesem Luftwaffenstützpunkt? Irgendein Gift?«
Allmählich regte sich ein bestimmter Gedanke in Fletchers Hinterkopf, eine Überlegung. Wie müsste ein Gift beschaffen sein, das das Felwell-Labor, die Bellman Foundation und einen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt des Zweiten Weltkriegs zur Zusammenarbeit anregte?
»He, Tom, alles in Ordnung?«, fragte Cathleen.
Er schob den Gedanken beiseite. »Ja, ich bin okay. Im Mo-ment ist nur eins klar, nämlich dass Aspen Slade mit allen Mitteln versucht, diese Ereignisse zu vertuschen. Er hat herausgefunden, dass Daisy Nathan Slade Informationen aus der Nase gezogen hat und dabei auf irgendetwas gestoßen ist, was sie erst richtig zum Suchen animierte. Irgendwie hat sie dann den schriftlichen Bericht dieser Frauen aus dem Film in die Hände bekommen. Den will er vernichten. Und dann ist da noch meine Mutter, die als Erste hinter die Sache gekommen war. Aspen behauptet, sie sei auf dem Luftwaffenstützpunkt, sie sei tatsächlich dort.«
»Aber wo liegt der? Es gibt bestimmt Dutzende alter Luftwaffenstützpunkte - wie willst du da den richtigen finden?«
»Ich werde ihn finden. Verstehst du, was das bedeutet?«
Sie schwieg lange. Nur ein Summen kam aus dem Hörer, und dazu trommelte der Regen aufs Dach der Telefonzelle. Weiter westlich heulte eine Polizeisirene.
»Willst du das wirklich, Tom?«
»Ja. Wenn ich den Luftwaffenstützpunkt finde, sehe ich vielleicht meine Mutter wieder.«
»Ja, schon. Aber was, wenn ...« Der Regen prasselte heftig. »Was, wenn Aspen Slade vor dir dort ist?«
Fletcher saß im Dunkeln auf dem Kundensofa, versuchte, seine Augen auszuruhen, und lauschte auf
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