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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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attackiert, die Gebäude besetzt. Das einzige, was dieses ganze System sie gelehrt hat, war Gewalt – und sie haben
ihre
Gewalt dagegengesetzt. Wie soll man diesen Kindern und Jugendlichen beibringen: Von jetzt an (nehmen wir mal an, «jetzt» heißt eine ANC -Regierung) muß einem Curriculum gefolgt, einem unbeliebten Lehrer gehorcht, ein Pensum gelernt werden? Von nun an gelten eure Methoden der (Gegen-)Gewalt nicht mehr? Es ist eines der größten Probleme des Landes.
    FJR : Wie wollen Sie das lösen, wenn Sie sich zugleich als radikal, nicht liberal bezeichnen? Für unsere Begriffe hat Radikalismus stets nur neues Unrecht, gar neue Gewalt gezeugt und haben nur die behutsameren, langsameren Veränderungen des Liberalismus Fortschritte gebracht.
    GORDIMER : Nein, ich bin nicht liberal. Ja, bin radikal. Liberal sind Herr de Klerk und seine Nationale Partei. Er will ein bißchen Reform, weist zugleich entgeistert jeden Gedanken an Verstaatlichung von sich – unbeirrt von der Absurdität, daß achtzig Prozent des Landes und seines Reichtums in den Händen der winzigen weißen Minderheit sind. Eine groteske Proportion. Sie wollen da ein bißchen Kosmetik – aber auf keinen Fall die Macht dem Volke. Ich will diese kleinen Veränderungen als Reparatur am System nicht. Ich will ein vollkommen anderes System.
    FJR : Sie meinen damit Regierung
und
Wirtschaft?
    GORDIMER : Ja. Für alles andere ist es zu spät. Das hätte vielleicht vor vierzig Jahren funktioniert. Deswegen bin ich ja Mitglied des ANC und gehörte schon zum radikalen Flügel, als der noch verboten war. Was übrigens noch immer nicht sehr populär ist, als Weiße zum ANC zu gehören; viele meiner Freunde finden, daß das nun doch zu weit gehe.
    FJR : Könnte das damit zusammenhängen, daß der ANC noch immer stark kommunistisch geprägt ist? Für jemanden aus Europa, wo dieses ganze Gebäude nun unter großem Getöse zusammengekracht ist und die ehemaligen Missionare der verstaatlichten Wirtschaft um Kredite und Schuldenerlaß beim Kapitalismus antichambrieren, wirken beispielsweise diese Verstaatlichungskonzepte lächerlich, altmodisch; außerdem funktionieren sie erwiesenermaßen nicht.
    GORDIMER : Sie müssen erst einmal Impulse und Konzepte auseinanderhalten. Der Impuls ist, daß in ganz Afrika, und speziell natürlich in Südafrika, Klassenkampf Rassenkampf war und ist. Der Kapitalismus ist hier weiß – also ist der Kampf gegen das System der ungerechten weißen Vorherrschaft automatisch ein Kampf gegen den Kapitalismus. Alles, was sich anders nennt, ist für einen jungen Schwarzen – der ja auch nach dem Referendum noch immer wenig soziale Chancen hat – das Paradies.
    FJR : Der Impuls ist begreiflich. Das Konzept – und Nelson Mandela reist durch die Welt und verkündet das als Konzept – nicht. Warum soll bei Ihnen funktionieren, was im Riesenreich Sowjetunion und seinen europäischen Satelliten nicht funktioniert hat?
    GORDIMER : Sie müssen zum einen verstehen, daß alle antikolonialistischen Freiheitsbewegungen ein Amalgam aus Gandhismus und Sozialismus sind; und daß zum anderen auch Nelson Mandela wie seine Berater sich verändern, gedanklich neue Konzepte durchprobieren. Er hat kürzlich in den USA schon ganz anders gesprochen als zuvor in Interviews mit europäischen Zeitungen. Alles, was wir wissen, ist: Es muß eine vollständige Umverteilung der materiellen Güter stattfinden.
    FJR : Und alles, was unsereins sich fragt, ist: Wie viele und wie hochrangige und wie einflußreiche kommunistische Berater hat Mandela, die ihm veraltete und falsche Modelle dafür anempfehlen?
    GORDIMER : Es sind wenige. Auf diese wenigen hört er.
    FJR : Das finden Sie richtig?
    GORDIMER : Ja, das finde ich richtig.
    FJR : Sie würden auch auf diese Leute hören?
    GORDIMER : Ja.
    FJR : Sie ganz persönlich?
    GORDIMER : Ja. Liehe Mandela sein Ohr lediglich Mr. de Klerk und seinen Liberalen, so fiele er in Reformbestrebungen zurück, statt die Gesellschaftsstruktur vollständig umzukrempeln. Und Sie müssen die Sache auch noch unter einem anderen Blickwinkel betrachten. Wenn die Leute sich in diese Vorwurfshaltung «Woher Mandelas Allianz mit der South African Communist Party» hineinmanövrieren, dann muß man daran erinnern: Wer hat die ANC -Leute denn versteckt, bewaffnet, unterstützt, als sie verboten war? Der Westen hat ihnen keinen Penny gegeben. Der Westen hätte nicht mit einem von ihnen auch nur geredet. Nicht der amerikanische Präsident,

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