Stahlstiche
Deutschen. Es kann aber nur auf friedliche und demokratische Weise verwirklicht werden.»
Man hat mich gewarnt, ich könnte falschen Applaus bekommen. Ich werde damit leben können. Ich kann schlechter leben mit Tabu-Verordnungen, die mir untersagen wollen meine Ratio und mein Gefühl, meine Wurzeln und mein Gezweig: deutsch. Und daß mein Kopf zwar weiß – das geht nicht heute, wohl auch nicht morgen in vernünftige staatliche Form zu bringen mit Paß und Stempel. Aber daß mein Herz denkt – es soll so nicht bleiben. Das mag anstößig sein. Wer keinen Anstoß erregt, gibt auch keinen.
DIE ZEIT , 36 / 1 . 9 . 1989
Eiserner Vorhang, kalte Zeit
Der Mäander der deutsch-deutschen Irrläufe, Zurückweisungen, Verlockungen und Enttäuschungen ist fast nur mit der Montage-Schnittechnik des Dokumentarfilms deutlich zu machen. Ein Hans Henny Jahnn konstatiert, daß er sich 20 Mark leihen muß, sich keine Schreibmaschine kaufen kann und mit drei Angehörigen in seiner ungeheizten Hamburger Zweizimmerwohnung hockt: «Es gibt für uns aus der Klasse des Geistes nur noch die Wahl, unsere Demission als Mensch einzureichen oder in die Ostzone abzuwandern.» Wenig später sinniert der «Formalist»
par excellence
Arno Schmidt: «Eventuell können wir
Alle
ja mal nach dem Osten ausweichen müssen! Wenn der Geist hier noch mefitischer wird.»
Im Mai 1951 schreibt Jahnn:
In letzter Zeit habe ich eine unwahrscheinliche Berühmtheit erlangt, aber nicht als Schriftsteller, auch nicht als Orgelbauer, nicht als Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg und auch nicht als ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, sondern ausschließlich deshalb, weil ich mit vier Dichtern der Ostzone ein kleines Gespräch geführt habe. Dieser Umstand hat so gut wie die gesamte Presse in Erregung versetzt; selbst Provinzblätter, die nicht einmal in der Lage gewesen wären, meinen Namen im Lexikon zu finden, erblicken nunmehr in mir eine leicht schwankende Säule westlicher Kultur und Dichtkunst.
Das ist haargenau ein Vierteljahr nachdem der Sohn einer anderen «Kultursäule» einen entgeisterten Abschiedsbrief an seinen Vater in der DDR publiziert hat, den «Kulturfürsten» Johannes R. Becher, keineswegs in einer ungeheizten Zweizimmerwohnung hausend, sondern in einer schwer bewachten Villa, Multifunktionär mit Chauffeur, Sekretären, Ostseedatscha und Westberliner Zweitwagen, mit dem er sich Morphium und Strichjungs aus der Frontstadt besorgt. Becher, zwischen Stalin-Hymnen und Depressionen schwankend, hochgebildeter Lügner und Förderer junger Talente, Schutzherr so manchen Künstlers und vor jedem Zensurgebot einknickender Ulbricht-Biograph, hochdekorierter Verfasser der DDR -Nationalhymne und als Abweichler von der Stasi seiner Genossen beobachtet, hat seinem im Londoner Exil groß gewordenen Sohn diesen Brief – dessentwegen er ihn enterbte – nie verziehen: «Du mußtest mir sagen: Ich kann Dich nicht empfangen in meinem Haus. Ich mußte bis zum nächsten Tage warten, um Dich in Deinem Bureau zu sehen – wie ein Arbeitskollege oder Businessman. Es ist mir nie gelungen, Dich in Deinem Haus hinter Stacheldraht zu besuchen. Niemals werde ich Antwort geben können auf die Frage so vieler Freunde: Warum lebt Dein Vater hinter Stacheldraht? – Ist das der Schutz vor der Liebe Deines Volkes?» Der Brief erschien in der Zeitschrift «Der Monat», deren Herausgeber Melvin Lasky im April 1948 Klaus Mann bei seinem letzten Berlin-Besuch in einem Hotel am Mexikoplatz zwar um Rat nach einem Titel – «Und warum nennen Sie die Zeitschrift nicht einfach ‹Der Monat›?» – gefragt, dem Emigranten aber eine Mitherausgeberschaft nicht angeboten hatte; der langjährige Mitarbeiter Klaus Harpprecht schildert Entstehen und Existenz der Zeitschrift:
Die Zeitschrift «Der Monat» wurde aus unvernünftig
haushaltstechnischen
Gründen aus den Fonds der CIA subventioniert, weil die Abgeordneten und Senatoren des amerikanischen Kongresses kaum bereit gewesen wären, die Mittel für solchen Luxus zu genehmigen. Nach meiner Erfahrung wurde auf die Redaktion und die Mitarbeiter dieser Zeitschrift niemals der geringste Druck ausgeübt. Ich habe auch nichts von einer Einflussnahme gespürt … Wie gern hätte ich jedoch die CIA für die Autoren des «Monat» weißbluten lassen! Die Agentur, die sich anderswo in der Welt die schrecklichsten Idiotien leistete und die gewiß für manches
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