Stahlstiche
Verbrechen verantwortlich ist, hat ihr Geld niemals für einen besseren Zweck ausgegeben.
Unter der Ägide des so verdammten Vaters, Präsident des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Mitglied des ZK der SED , Nationalpreisträger und ab 1954 Kulturminister der DDR , konnte dann aber das letzte Buch des vereinsamten Alfred Döblin, sein «Hamlet»-Roman, den im Westen niemand wollte, in der DDR erscheinen – auf Initiative des geradezu buchfanatischen Rütten-und-Loening-Cheflektors Wolfgang Richter, der alsbald vor den unerträglichen Eingriffen der Zensurbehörde in den Westen floh. Döblin war hochbeglückt:
Lieber Herr Huchel,
Ihr Brief vom 27 . 9 . hat mich außerordentlich gefreut, begreiflicherweise, wenn man bedenkt, daß es sich um mein letztes Opus handelt, das man überall glatt refusierte. Sie fragen, warum? Mich traf es nicht unerwartet. Ich habe schon 1947 in Baden-Baden von meinem damaligen Verleger Keppler, der sich noch um meine Bücher riß, gehört, seine Vertreter im Land meldeten ihm eine entschiedene Abneigung gegen meine Werke. Das Lesepublikum wolle also nichts von mir kaufen, weil ich Emigrant sei, und noch dazu einer, der jetzt in französischen Diensten stünde. Aber ich wußte, sie mochten mich nicht eben aus Antipathie gegen das Antihitlerische, da lagen ihnen Benn, Sieburg und Wehner näher. Der «Hamlet» hat lange Monate bei Piper [sic] München gelegen. Beim Kiepenheuer Verlag, Köln, zuletzt beim Herold Verlag in Wien, über ein Jahr.
Das erinnert nicht allzu fern an des nie nach Deutschland aus der Emigration zurückgekehrten, jahrelang dort kaum verlegten Walter Mehring bittere Zeile an den Freund Hans Sahl: «Man wird es uns nie verzeihen, daß wir uns nicht haben erschlagen oder ein bißchen vergasen lassen.»
Das kulturelle Klima beider Deutschlands war ein Tribunal in Permanenz. «Man will mich totmachen», schreibt Hans Werner Richter an denselben Hans Sahl, «und leider, leider, man wird mich totmachen, wird es auf beiden Seiten schaffen, sowohl im Westen wie im Osten.» Der Kämpfer Hans Werner Richter, der oft Gefahr lief, in den Querelen seiner Gruppe 47 zermahlen zu werden – «Laß nur, wir werden den Preis schon wieder hochbringen», wollte Walter Jens nach der Verleihung des Gruppenpreises an Heinrich Böll trösten –, erhielt aber auch wahre Kassandrarufe; Hermann Kesten, auch er aus der Emigration nie nach Deutschland zurückgekehrt, Entdecker von Anna Seghers in den zwanziger Jahren und hochverdienter Lektor des Exilverlages Allert de Lange, warnte vehement: «Daß unsere Literatur nur gewinnen kann, wenn wir mit der gegenseitigen KZ -Unterdrückung ganzer literarischer Provinzen Deutschlands, mit der planmäßigen Krähwinkelei Schluß machen, und mit der Tortur der viergeteilten deutschen Literatur, sollte allmählich auch jenen düsteren Geschäftemachern unter den deutschen Literaten klar werden, die, statt besser zu schreiben als ihre Kollegen, lieber alle Kollegen köpfen oder verbieten wollen, wie es unter den Nazis geschah, und jetzt wieder in der Ostzone geschieht.» Das war nicht nur bösartige Scharfzüngigkeit eines eingefleischten Antikommunisten. Kurz darauf fand in Ostberlin ein wahres Tribunal statt.
Als im Frühjahr 1953 im Ostberliner Aufbau Verlag ein schmaler Band mit dem lakonischen Titel «Hanns Eisler – Johann Faustus» erschien, war keineswegs sofort klar, daß damit eine der erbittertsten kulturpolitischen Debatten der DDR ausgelöst werden sollte. Immerhin war Eisler Komponist der DDR -Nationalhymne, Nationalpreisträger, Akademiemitglied und als enger Mitarbeiter Brechts – dessen wichtigste Lieder er vertont hatte – ein hochrenommierter Künstler. Doch war es kühn bis waghalsig, als Hanns Eisler sein Libretto für eine «National-Oper Johann Faust» vorlegte. Der querdenkende Austromarxist Ernst Fischer wußte, was er tat, als er sofort bei Erscheinen des Textbuches in «Sinn und Form» einen Begrüßungsaufsatz veröffentlichte:
Für den Schriftsteller … treten zwei Zeitthemen in den Vordergrund: das Müntzer-Thema und das Faust-Thema. Es ist die große Tat Hanns Eislers, daß er dies in Angriff nahm und eine Lösung fand, die Dank und Bewunderung verdient. Er hat in genialer Konzeption das Faust-Thema mit dem Müntzer-Thema verbunden, die Problematik des Faust aus seiner Stellung zum Bauernkrieg abgeleitet, in der Gestalt des Faust eine Zentralgestalt der deutschen Misere reproduziert:
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