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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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Hörer.
    »Vorbereiten!«
    Die letzten, vereinzelten Schüsse. Dann – Stille. Eine schreckliche, unnatürliche Stille. Die Unseren sind am Ende. Die Deutschen haben noch nicht angefangen.
    »Los!« schreit Abrossimow in die Muschel.
    Ich klebe förmlich an der Scharte. Am grauen Himmel zeichnen sich undeutlich die Wassertürme, Rohre, deutsche Laufgräben, ein abgeschossener Panzer ab. Mehr nach rechts – ein Stück unserer Gräben. Ein Vogel fliegt, langsam die Flügel bewegend. Man sagt, daß Vögel den Krieg nicht fürchten.
    »Los!« schreit Abrossimow ins Telefon. Er ist blaß, und sein Mundwinkel zuckt ständig.
    Links von mir der Major, ebenfalls an der Scharte. Er zieht an seiner Pfeife. Mich fröstelt plötzlich. Meine Hände zittern, und eine Gänsehaut läuft mir über den Rücken. Wahrscheinlich vor Aufregung. Tatenlosigkeit ist das schrecklichste.
    Über unseren Gräben erscheinen Gestalten. Sie laufen … Hurra-a-a! … Direkt auf die Wassertürme zu … A-a-a-a! … Ich höre nicht mehr, wie das deutsche Maschinengewehr zu rattern anfängt. Sehe nur, wie die Gestalten hinfallen. Weißer Rauch der Granatexplosionen. Noch ein Maschinengewehr, weiter links.
    Immer mehr und mehr Explosionen. Weißer Rauch, wie Watte, legt sich auf die Erde, verzieht sich allmählich. Auf der grauen, kahlen Erde liegen Menschen. Es sind viele. Die einen kriechen, die anderen liegen. Laufende gibt es nicht mehr.
    Der Major zieht an seiner Pfeife, hustet.
    »Nichts zum Schweigen gebracht … Nichts …« Abrossimow ruft das zweite und dritte Bataillon an. Dasselbe Bild. Die Soldaten liegen gegen die Erde gepreßt. Maschinengewehre und Granatwerfer machen es ihnen unmöglich, den Kopf zu heben.
    Der Major geht von der Scharte fort. Sein Gesicht ist verquollen, müde.
    »Anderthalb Stunden gedonnert – und nicht einzunehmen … Verflucht noch mal … Zählebig, diese Teufel …«
    Abrossimow steht da, den Hörer am Ohr, den Fuß auf einem Kasten, spielt mit nervösen, trockenen Fingern an der Schnur.
    »Blick mal durch die Scharte, Ingenieur … Viele Tote? Oder haben sie sich in den Trichtern eingerichtet?«
    Ich sehe nach. Etwa zwölf Mann liegen da. Es müssen wohl Tote sein. Füße und Hände weit ausgebreitet. Die anderen sind nicht zu sehen. Das Maschinengewehr feuert direkt auf die Brustwehr, daß der Staub nur so aufsteigt. Dreckige Sache.
    »Kershenzew«, sagt der Major ganz leise.
    »Ich höre.«
    »Du hast hier nichts zu tun. Geh mal zu deinem früheren Bataillon, zu Schirjajew. Hilf ihnen …« Und nachdem er an seiner Pfeife gezogen hat: »Ihr habt dort deutsche Verbindungsgänge, Schirjajew hat sich ausgedacht, wie sie einzunehmen sind. Stellt die Maschinengewehre auf, und hackt den Fritzen in die Flanke …«
    Ich mache kehrt.
    »Sie schicken ihn zu Schirjajew?« fragt Abrossimow, ohne vom Telefon fortzugehen.
    »Laß ihn gehen. Er hat hier nichts zu tun. Im Frontalangriff werden wir sowieso nichts einnehmen.«
    »Wir werden einnehmen!« schreit Abrossimow unnatürlich auf und wirft den Hörer weg. Der Telefonist fängt ihn geschickt im Fluge auf und setzt ihn sich auf. »Wir werden es auch im Frontalangriff nehmen, wenn sie sich nicht in den Löchern verstecken. Geh, Kershenzew, in das zweite Bataillon, organisiere dort. Sonst grübeln die da und raten, und es kommt nichts Gescheites dabei heraus … ›Siehst du, das Feuer ist so stark, man kann nicht aufstehen.‹«
    Seine für gewöhnlich ruhigen, kalten Augen sind jetzt rund und blutunterlaufen. Die Lippen zittern.
    »Bring sie zum Aufstehen, zum Aufstehen! Sie haben sich festgelegen. Können den Hintern nicht von der Erde losreißen …«
    »Immer mit der Ruhe, Abrossimow«, sagt beschwichtigend der Major und winkt mir mit der Hand zu: ›Geh!‹
    Ich gehe. Bis zu Schirjajews Gefechtsstand laufe ich, ohne anzuhalten, laviere zwischen den Explosionen. Die Deutschen sind in Wut geraten, schießen wahllos. Immer mehr, immer mehr! Schirjajew ist nicht da. Er ist in der vordersten Linie. Ich laufe dorthin. Stoße am Eingang zum Unterstand mit der Nase auf ihn, vor demselben Unterstand, in dem wir damals während der Umzingelung gesessen haben.
    »Wie steht’s?«
    »Wie’s steht! … Die Hälfte des Bataillons ist nicht mehr.«
    »Tot?«
    »Der Teufel weiß es … Sie liegen da … Mit Abrossimow kann man schon Krieg führen!«
    »Was ist denn?«
    An Schirjajews Hals schwellen die Adern.
    »Der Major sagt hü, und Abrossimow sagt hott. Es schien, als sei

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